Essen. Der Regionalverband Ruhr (RVR) arbeitet an einem Regionalplan fürs Ruhrgebiet. Ein Experiment, von dessen Gelingen nicht jedermann überzeugt ist.

Es sieht aus wie ein Rezept aus dem Chemielabor: Kleine, grüne Bläschen perlen empor, alles ist irgendwie miteinander verbunden. Chemiker wissen: Wenn so viele Elemente miteinander reagieren, passiert entweder gar nichts, oder das Gemisch explodiert. Das wäre in diesem Fall schlimm. Denn das Experiment heißt: Ruhrgebiet.

Das Bild mit den Bläschen stammt vom Regionalverband Ruhr (RVR).Es zeigt den Weg zu einem Regionalplan fürs Revier. Der RVR ist mächtig stolz auf diese Aufgabe: Nach 34 Jahren Fremdbestimmung darf das Revier selber entscheiden, wo Wohnquartiere entstehen, wo sich Firmen ansiedeln und wie künftig der Verkehr fließen soll. Und nicht mehr die Bezirksregierungen,

Die vielen Bläschen sind übrigens Sprechblasen. Möglichst viele sollen miteinander über das Revier plaudern: 53 Städte, Wissenschaftler, Bürger, Experten, Politiker, Arbeitskreise…

Fritz Pleitgen,Vorsitzender der Geschäftsführung der Ruhr 2010 GmbH, schüttelt den Kopf: „Dieses Papier zeigt den Übereifer, es allen recht machen zu wollen. Die Planer haben es offensichtlich wahnsinnig schwer, allen Einwänden gerecht zu werden.“ Kritiker finden: Der Regionalverband Ruhr steckt viel zu viel Energie und Eifer in solche Detailfragen und verliert das große Ziel dabei aus den Augen: die Metropole Ruhr. Solche Pläne taugten nicht, um den Rückstand gegenüber anderen Regionen aufzuholen.

Was müsste passieren, um aufzuholen?

Was aber müsste passieren, um das zu schaffen? Fritz Pleitgen, Ex-Staatsminister Christoph Zöpel und Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski glauben: Nur ein starker RVR kann das Ruhrgebiet voran bringen.

Fritz Pleitgen stellt sich das so vor. Erstens: Der RVR soll entscheiden dürfen, was heute drei Regierungsbezirke entscheiden. Zweitens: Das Ruhrparlament müsste von den Bürgern direkt gewählt werden. Und: Nach Vorbild des Bundesrates sollte ein Revier-Oberbürgermeister für ein Jahr die politische Führung der „Metropole Ruhr“ übernehmen. Dafür geeignete Persönlichkeiten: Ullrich Sierau (Dortmund), Frank Baranowski (Gelsenkirchen), Bernd Tischler (Bottrop), Dagmar Mühlenfeld (Mülheim) oder Ottilie Scholz (Bochum).

Christoph Zöpel (SPD) sieht’s ähnlich: „Das Hauptproblem im Revier ist, dass drei Regierungsbezirke und zwei Landschaftsverbände auf eine Region einwirken. So kommt das Revier nicht weiter. Das lässt sich nur verhindern, wenn die Städte zusammenhalten.“

Revier lebt von der Vielfalt der Städte

Frank Baranowski (SPD) glaubt: „Wir brauchen ein direkt gewähltes ‚Gesicht für das Revier’ und ein direkt gewähltes Ruhrparlament.“ Der Gelsenkirchener will, dass ein neues RVR-Gesetz auf den Weg gebracht wird. „Das steht im Koalitionsvertrag. Wir sollten dem Landtag einen Vorschlag machen und nicht warten, dass etwas passiert.“

Nicht jedem Stadtoberhaupt sind solche Gedanken geheuer. Der Essener Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) hatte jüngst der WAZ gesagt: „Wir brauchen keine Zentrale, die alles, was das Revier betrifft, plant und bestimmt. Wir brauchen kein von den Bürgern direkt gewähltes Parlament. Was sollte dieses gewählte Parlament denn tun?“ Auch sein OB-Kollege Klaus Wehling (SPD) aus Oberhausen bleibt lieber vorsichtig. Er will dem RVR eine „dienende Funktion“ zugestehen. Wichtige Dinge würden ja schon in der Runde der Oberbürgermeister besprochen. Ansonsten gilt für ihn: „Das Ruhrgebiet lebt von der Vielfalt der Städte.“ Ein Bekenntnis zur „Metropole Ruhr“ würde sich wohl anders anhören.

Gespräche besser als Entscheide von oben

Und wie denkt die RVR-Chefin Karola Geiß-Netthöfel über ein neues Ruhrgebiet? Zusammenarbeit nach dem Vorbild der Kulturhauptstadt findet sie gut. Der neue Regionalplan sei eine erste Maßnahme dafür. Die Zeichner des Sprechblasen-Papiers nimmt sie übrigens ausdrücklich in Schutz. Es sei gut, wenn möglichst viele Beteiligte ins Gespräch kämen. Gespräche möglichst vieler sind für sie besser als Entscheidungen „von oben herab“.