Essen. . Ruhr.2010 ist lange vorbei. Ein Souvenir erhält die Erinnerung. In Dortmund können Heimatverbundene die letzten Kulturhauptstadt-Andenken kaufen.
Böse Zungen behaupten – manche sind darüber sogar eher betrübt – , es sei nicht viel übriggeblieben von der Kulturhauptstadt. In Dortmund aber haben sie noch Erinnerungsstücke, die wollen sie jetzt aber wirklich loswerden: Ruhrs Resterampe, die zweite.
Es gab ja schon einmal einen Ausverkauf, der war im Januar, als die Kulturhauptstadt gewissermaßen noch warm war und die Menschen ihr mit heißen Herzen entrissen, was nicht mehr niet- und nagelfest war. Der Flohmarkt auf Zeche Zollverein musste damals schon einen Tag früher schließen als geplant, alles alle! Nun aber haben sie noch einmal Inventur gemacht, „Rucksack, 8 Kartons, 20 Stück, Summe: 160, Anbruch 2“ – in einem Hinterhof hat Ruhr.2010 doch noch einiges auf Lager von dem, was das Revier einmal war. Souvenirs, Souvenirs!
Es sind die „Denk-Drans“, wie Karin Dicke sie nennt, und es ist genau zwei Jahre her, dass die Chefin der gleichnamigen Werbefirma die erstmals vorstellte. Schirme, Stifte, Shirts hatten sie damals entworfen, nur die Schokolade ist inzwischen aus. Tassen, Brettchen, Kappen, Bälle, Kulis sind noch da, mit dem bunten Logo des letzten Jahres oder dieser seltsamen Computersprache „Leet speek“, die mit dem stolzen Wort „Metropole“ so verspielt umgeht. Man könnte auch sagen: verschämt.
Andenken an Day of Song
Es gibt noch die Hemden der „Local Heroes“, Schirme von „Melez“ und Taschen von der „Extraschicht“, alles vorbei und fast schon vergessen; man könnte so wehmütig werden, dass man eines dieser bunten 2010-Taschentücher bräuchte, der Kulturhauptstadt nachzuweinen. Auch sind da noch Mützen vom „Stillleben“, nur keine Butterbrotdosen. Davon hat nicht einmal der Chef eine gekriegt, obwohl sie „Tausende produziert“ haben, wie Karin Dicke sagt. Leider sei „noch nicht einmal mehr eine Badeente aufgetaucht“. Dafür hätte sie noch Andenken an den „Day of Song“ im Angebot (tatsächlich ist hier alles reduziert), die sind noch gut: „Sing“ soll nächstes Jahr ein Da Capo erleben.
Für all diese Überbleibsel im Dutzend billiger haben sie ein letztes Mal eine dieser blauen „Kaufbars“ aufgebaut, das bringt Farbe in den Hinterhof, es geht gar das Wort von einem „Einkaufserlebnis“. Das allerdings klingt lustig, wenn man bedenkt, dass wenige Meter weiter im selben Moment Dortmunds neues Einkaufszentrum eröffnet. Und wenn man einen Blick wirft in einen Seitengang aus Beton: Hier wickeln sie gerade aus, was sie vorher abgewickelt haben – die vorletzten Büromaterialien aus den Kulturhauptstadtbüros. Heftklammern, „dass wir die ganze Bevölkerung zweimal piercen könnten“, spottet einer, der seinen Stuhl längst geräumt hat.
Alles muss raus
Schreibtischlampen, Computer zu 500 Euro, Garderobenständer, eine Europakarte, zwei einsame Kaffeekannen nebst acht Untertassen. Dazu palettenweise Mineralwasser im Tetrapack, ebenso Knäckebrotschnitten, haltbar bis April 2012. Aber wer soll das noch essen, es ist ja kaum noch einer da. Ende des Monats packen wieder Mitarbeiter ihre Sachen, ein Dutzend harrt noch aus, bis auch das Jahr danach vorbei ist. Alles muss raus!
In einer Bücherkiste warten noch ein paar Standardwerke: „Industrie-Ikonen“, „Gärten und Politik“ oder die „Kulturgeschichte der deutschen Eisenbahn“. Es liegt dort auch ein „Bericht aus der Zukunft des Ruhrgebiets“. Davon, dass 2031 die Kulturhauptstadt immer noch ausverkauft wird, steht nichts darin.