Moers. . Werbung für die Riester-Rente macht der ehemalige Bundesarbeitsminister Walter Riester. Ist das in Ordnung? Auf einer Veranstaltung vor Schülern in Moers erinnert manches an eine Verkaufsveranstaltung.
Walter Riester ist ein schneller Rechner. Vielleicht ist er auch nur so schnell, weil er schon bei seinen letzten 100 Vorträgen erzählt hat, wie aus 60 Euro im Handumdrehen 414 Euro werden. Er hat die Arme ausgebreitet, als wolle er am liebsten alle 220 Schüler des Mercator-Berufskollegs in Moers herzen, die ihm heute Vormittag zuhören.
Ins Alter mit Walter: Der ehemalige Arbeitsminister predigt das Produkt, das seinen Namen trägt. Mehr als 14 Millionen Menschen „riestern“, der Staat schießt jährlich etwa eine Milliarde Euro dazu. Von der „Riester-Rente“ hat freilich niemand stärker profitiert als Walter Riester. Und die Finanzbranche, für die er den Türöffner spielt und zum Maskottchen geworden ist. „Mein Name ist ein positiver Werbeträger“, hat der 67-Jährige mal frohlockt. Stimmt. Peter Hartz hat es schwerer.
Abgeordneter mit 69 Nebentätigkeiten
Schon als Abgeordneter sahnte Riester mit seiner Idee ab. Vor seinem Ausscheiden aus dem Bundestag 2009 veröffentlichte der Schwabe 69 bezahlte Tätigkeiten neben seinem Mandat, 50 davon oberhalb der Höchststufe von 7000 Euro, bei der die Gagen nicht mehr präzisiert werden müssen. Für seine Vorträge kassierte er insgesamt mehr als 400 000 Euro.
In seiner Nähe zu Carsten Maschmeyer, dem umstrittenen Chef des noch umstritteneren Klinkenputzer-Imperiums AWD, sah Transparency eine „unzulässige Interessenverquickung, die eines ehemaligen Bundesministers unwürdig und unanständig ist“. Die nichtstaatliche Organisation kämpft gegen Korruption.
Nachhilfe für Herrn Kaiser
Heute, in Moers, steht Riester, eingerahmt von Werbebotschaften, für die Volksbank und vor allem für Union Investment auf der Bühne, den größten Anbieter von Riester-Fondssparplänen. Er selbst, welch glückliche Fügung, sitzt im Aufsichtsrat. Bauchschmerzen bereitet ihm die Verbindung nicht: „Ich bin über jeden froh, der sich engagiert, es wäre gut, wenn mehr Politiker zu ihren erfolgreichen Produkten stünden“, sagt er. Und, mit einer Prise Überraschung in der Stimme fragt er zurück: „Haben Sie das hier wirklich als Verkaufsveranstaltung empfunden?“
Riestern mit Riester
Sagen wir es so: Herr Kaiser von der Hamburg Mannheimer hätte an diesem Vormittag noch manches lernen können. Nur die Glaubwürdigkeit eines ehemaligen, so brav daherkommenden Ministers aus Kaufbeuren, der mal als Fliesenleger angefangen hat, die kann er sich nicht verdienen.
Vieles ist Vertreter-Sprech
Riester impft den Berufsanfängern den Sinn von Altersvorsorge ein. Er ist kein Einpeitscher, eher ein Einschmeichler, der sich allerdings aus dem Reservoir des Vertreter-Sprechs bedient. Da müsste man natürlich „ganz doof sein, wenn man das nicht macht“, der „Turbo auf dem Konto“ wird gezündet, das „stärkste Maß an Sicherheit“ versprochen, und auf die Frage, ob ihm jemand eine bessere Anlageform nennen könnte, erwartet er keine Antwort.
Union Investment attestiert er „einen klugen Schachzug“, und im Übrigen kommen die mit nur 1,2 Prozent Kosten bei ihren Angeboten aus. Bei Versicherungsprovisionen dagegen „blicken wir auf die dunkle Seite des Mondes“, lästert Riester über die Konkurrenz. „Ich bewerbe hier kein einzelnes Produkt“, sagt er, als wäre ihm so viel Werbung doch ein wenig unheimlich. Teilt gleich jemand die Anträge aus?
Lehrstunde für Gerhard Schröder
Wer Walter Riester als Minister in Erinnerung hat, mit diesem etwas magenkranken Gesichtsausdruck, der erkennt ihn nicht mehr wieder, wie beschwingt er da mit dem Mikro an der weinroten Krawatte unterwegs ist und ohne Manuskript erzählt, wie er „dem Gerd Schröder“ damals sein Rentenmodell erklärt hat. Man soll sich das wohl so vorstellen, wie die Lehrstunde, die er jetzt gerade abhält. Schröder hat Riesters Engagement im Kabinett 2002 nach vier Jahren beendet. Es ist Riester nicht schlecht bekommen. Er lächelt. Er muss jetzt los, ein paar Bankmitarbeiter schulen. Damit bald noch mehr geriestert wird.