Lüdenscheid. .
Es gibt Kinospots und Videos im Internet, Info-Runden an Schulen und in Discos und dann sind da noch die „Warnschusstage“ in der Justizvollzugsanstalt Iserlohn. Die Gewalt- und Straßenkriminalität, für die hauptsächliche Jugendliche verantwortlich sind, bekämpft die Polizei im Märkischen Kreis seit drei Jahren mit einem Bündel vorbeugender Maßnahmen – mit bemerkenswertem Erfolg.
NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) zeigte sich gestern bei einem Besuch der Polizeiinspektion Lüdenscheid jedenfalls beeindruckt von der Wirksamkeit der Präventionskampagne „Knast heißt: Die nächste Party startet ohne Dich“, die Polizeioberrat Bernd Scholz detailliert vorstellte. „Außerordentlich, was Sie hier mit Bordmitteln leisten“, lobte der Minister das „vorbildliche“ Konzept. „Wirklich gut“ gefielen ihm die Ansätze. „Mein Haus wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen“, deutete Jäger die Überprüfung einer landesweiten Ausweitung an. Vielleicht sei es möglich, Mittel aus dem Justizhaushalt aufs Innenressort umzuschichten, spekulierte Jäger. 36 000 Euro jährlich koste das Land die Unterbringung jedes einzelnen Straftäters in einer JVA. Gelder, die bei erfolgreicher Prävention eingespart würden.
„Richtig Bammel
vor dem Knast“
Obwohl der Märkische Kreis in punkto Kriminalitätsrate und Aufklärungsquote das vergleichsweise sicherste Pflaster im ganzen Land sei, hat die Polizei einen „dramatischen Anstieg“ der so genannten „Schwellentäter“ registriert; Kinder und vor allem Jugendliche, die mit mindestens drei Straftaten pro Jahr oder einem Gewaltdelikt auffällig wurden. Derzeit seien 42 Schwellen- und 21 Intensivtäter unter polizeilicher Beobachtung, so Scholz. Ziel der Kampagne sei es, kriminelle Karrieren frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. In einem Dreijahreszeitraum soll so die Straßen- und Gewaltkriminalität um 30 Prozent reduziert werden.
Partner der Polizei bei der PR-Kampagne sind unter anderem Jugendämter und Schulen, Kinos und Diskotheken, die alle an der Sensibilisierung der Jugendlichen mitarbeiten. Als „Qualitätsmerkmal“ bezeichnete Scholz die Zusammenarbeit von Schule und Polizei, die in Lüdenscheid über Schulkontaktbeamte läuft. Seit 2009 beobachten 21 Jugendbeamte im Wachdienst kontinuierlich jeweils zwei bis drei Schwellentäter, was Druck erzeuge, aber den Jugendlichen auch zeige, dass man sich für sie interessiert, wie ein Jugendbeamter sagte.
Besonders hob Scholz die Kooperation mit der JVA Iserlohn hervor, wo vier bis fünf Mal pro Jahr so genannte „Warnschusstage“ für Schwellentäter stattfinden. Die Teilnahme ist in der Regel freiwillig, die Erziehungsberechtigten müssen zustimmen – doch bislang habe noch niemand Nein gesagt, weiß Scholz. In zwei Fällen habe auch schon das Jugendgericht die Teilnahme am „Warnschusstag“ zur Auflage gemacht.
Bewährungsstrafe wird oft missverstanden
Der beginnt ganz realistisch mit einer simulierten Festnahme zu Hause und dem Transport zur JVA, die die Jugendlichen von der Türschleusung über Häftlingskleidung, „Bunker“ bis hin zum Kontakt mit Strafgefangenen kennenlernen. Die schildern ihren trostlosen, mit Arbeitsverpflichtung verbundenen Alltag und ihre Knasterlebnisse in schonungsloser Offenheit.
Der Warnschusstag dauere zwar nur drei Stunden, sei aber vielfach wirksamer als eine Bewährungsstrafe, die nicht selten als „Freispruch zweiter Klasse“ verstanden werde und den verurteilten Straftätern den Ernst ihrer Lage nicht deutlich machten. Anders beim Warnschusstag, wo die Jugendlichen beim simulierten Einfahren in den Knast immer mehr an Persönlichkeit verlieren. „Am Ende ist denen deutlich geworden, dass sie in der JVA gar nichts mehr sind“, beschreibt Bernd Kleine, Leiter der Hauptwache Lüdenscheid, die Wirkung des Besuchs. Die haben dann „richtig Bammel vor dem Knast“.