Welche Ängste hinter den Konflikten um Moscheebauten stecken, weiß Thomas Schmitt, Kultur-Geograph am Göttinger Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften.

Ist der Ärger um Moscheebauten im Ruhrgebiet ungewöhnlich?

Schmitt: Im Grunde nicht. Es gibt ein großes Spektrum von Möglichkeiten, wie mit einem Bauvorhaben umgegangen wird. Eine wichtige Frage ist hierbei, wie die Parteien sich positionieren. Und: Wie verhält sich die Kirche? Die Tendenz ist, dass die Gemeinden vor Ort sich verhalten positiv äußern. Sie wissen um die grundrechtliche Verankerung von Religionsfreiheit.

Was sind die am häufigsten genannten Argumente gegen den Moscheebau?

Da kommen mehrere Dinge zusammen, das ist es auch, was die Moscheekonflikte so interessant macht. Es gibt städtebauliche Argumente wie: Die nehmen uns im Ramadan die Parkplätze weg. Das ist der Klassiker. Es gibt ethnisch-kulturelle Argumente, weil Menschen eine Veränderung ihrer Umgebung befürchten. Da geht es dann um die allgemeine Orientalisierung oder Türkisierung des Stadtviertels. Und es gibt religiöse oder religionspolitische Argumente, bei denen zum Beispiel die Frage aufgeworfen wird, ob der Bauträger sich ans Grundgesetz hält oder nicht.

Häufig gipfelt der Streit in der Frage ums Minarett.

Mit dem Minarett ist es wie mit dem Kopftuch. Man kann es als Unterdrückung der Frau sehen, aber auch als Zeichen selbstbestimmter Religiosität. Ich denke, es kann beides sein. Gegner und Befürworter suchen aber nach einer eindeutigen Deutung. Genauso ist das Minarett für manche ein Zeichen der Landnahme von muslimischer Seite, für andere architektonischer Bestandteil einer Moschee.

Wo gibt es mehr Ärger, in kleinen oder großen Städten?

Konflikte können überall auftauchen, sie laufen nur anders ab. In Kleinstädten sind sie tendenziell leichter steuerbar – wenn der Bürgermeister charismatisch genug ist, um zu vermitteln. In Großstädten nimmt der Konflikt oft seinen Lauf. Die Proteste heutigen Ausmaßes sind klar ein Phänomen von Großstädten.

Wer regt sich auf?

Eher die ältere Generation und durchaus bürgerliche Schichten. Bildungsbürger, die sich vermeintlich islamkundig machen, mit Koranzitaten argumentieren. Man darf aber nicht vergessen, dass es auch Befürworter gibt. Und die stammen ebenfalls aus diesen Schichten, nur dass sie vielleicht altersmäßig gemischter sind.

Was steckt wirklich hinter der Anti-Haltung?

Man sollte die Gegner nicht alle über einen Kamm scheren. Im Einzelfall können auch berechtigte Anliegen dahinterstehen. Es kann sein, dass das geplante Bauwerk diskussionswürdig ist. Ansonsten steckt Angst vor Veränderung dahinter, Unwissenheit über den Bauherrn, dem eine fundamentalistische Auslegung des Islam unterstellt wird, oder aber auch eine offene Fremden- und Islamfeindlichkeit.

Was hat das alles mit der Integrationsdebatte zu tun?

Die Moscheekonflikte haben lokal vorweggenommen, was dann gesamtgesellschaftlich Debatte wurde. Heftige Konflikte gab es schon in den 90er Jahren.

Wie kann der Streit geschlichtet werden?

Mit Beginn des Baus gehen die Konflikte zurück. In vielen Fällen zeigt sich dann auch, dass Moscheen zur Integration muslimischer Gruppen beitragen.

Inwieweit?

Ein gutes Beispiel ist Duisburg. Dort gibt es einen regelrechten Besuchstourismus. Die Moschee ist dort ein Ort der Begegnung für muslimische und nichtmuslimische Menschen. Moscheegemeinden, die repräsentative Moscheen bauen, neigen dazu, sich nach außen zu öffnen. Sie knüpfen Kontakte zu anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen. Durch den Bau gibt es eine Vernetzung, die zu einer verbesserten Integration in die lokale Gesellschaft beiträgt. Natürlich gibt es auch immer Gegenbeispiele.