Kleve.

Mit jedem Büschel Gras, das Rinder fressen, entweicht klimaschädliches Methan aus ihren Mäulern. In manchen Ländern übersteigt die Klimabelastung durch Rinder sogar die der durch Autos. Mit einem einzigartigen Forschungsprojekt untersuchen nordrhein-westfälische Wissenschaftler jetzt, wie man den Methanausstoß in den Ställen verringern kann. Möglicherweise ist die Knoblauchpille für die rülpsende Kuh ein Lösungsweg.

Kühe sind schon klasse. Aus schnödem Gras machen sie köstliche Milch. „Der besondere Magen der Wiederkäuer ist der Schlüssel dazu“, erklärt Claudia Verhülsdonk, Referentin für Rinderhaltung bei der Landwirtschaftskammer NRW in Kleve.

Unerwünschter Nebeneffekt: Dabei entsteht auch Methan, das gut einundzwanzigmal klimaschädlicher ist als Kohlendioxid (CO2). 1,4 Millionen Kühe und Rinder gibt es in NRW, 12 Millionen in Deutschland, Milliarden sind es weltweit. In Deutschland trägt die Landwirtschaft, auch wegen der Methan ausstoßenden Rinder und gegüllter Felder, etwa zehn Prozent zum negativen Klimaeffekt bei. Deutlich mehr ist es in manchen anderen europäischen und südamerikanischen Ländern.

Das sind Größenordnungen, die Forscher unruhig werden lassen. Zwar will niemand die Wiederkäuer abschaffen, weil sie als Fleisch- und Milchlieferant unersetzlich sind. „Aber es gibt Stellschrauben, an denen man drehen kann“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Büscher. Der Agrarwissenschaftler der Uni Bonn ist an einem auf drei Jahre angelegten Großversuch im Landwirtschaftszentrum in Kleve beteiligt. Erstmals soll hier unter Praxisbedingungen untersucht werden, ob unterschiedliche Fütterungs- und Haltungsmethoden den Methanausstoß von Milchkühen verringern können. Und zwar nicht nur den, der beim Ausatmen und „Rülpsen“ mit der Atemluft der Kühe entweicht. Gemessen wird auch, wie viel Methan aus Mist und Gülle im Stall entweicht. Dafür wurde mit Bundesmitteln ein 2,9 Millionen Euro teurer Versuchsstall gebaut.

Kühe melden sich am System an

Kühe im Versuchsstall des Landwirtschaftszentrum Haus Riswick in Kleve. Foto: Bernd Lauter / WAZ FotoPool
Kühe im Versuchsstall des Landwirtschaftszentrum Haus Riswick in Kleve. Foto: Bernd Lauter / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Auf den ersten Blick sieht dieser Stall aus wie viele andere im Land. Eine Holz-Stahlkonstruktion mit Satteldach, zwei Seiten offen, so dass der Wind hindurchwehen kann, in der Mitte der Freilaufbereich der Rinder. 144 schwarz-bunte Milchkühe der Rasse Deutsche Holsteiner stehen dort, und immer wieder kommt eine an den Futtertrog. Doch da hört die Gemeinsamkeit mit anderen Ställen auf. Um an die Grassilage im Trog zu kommen, muss die Kuh eine kleine Klappe zur Seite drücken.

Damit meldet sie sich am „System“ an: Ein Funkchip in ihrem Halsband identifiziert sie als „Nummer 581“ – Kuh Paula. Ihr Futter liegt in einem Wiegetrog, der aufs Gramm genau registriert, wie viel Gras Paula zu sich nimmt. Das Ergebnis wird mit der Menge der gemolkenen Milch verknüpft – so haben die Forscher auch Paulas Leistungsfähigkeit im Blick.

Unter dem Dach des Stalls hängen fast unscheinbar einige kleine Schläuche mit Ansaugstutzen, die kontinuierlich die Luft einfangen und zur Analyse in ein Nebengebäude leiten. Im Vergleich zu anderen Methan-Versuchen, bei denen Rinder in hermetisch abgeschotteten Kabinen gehalten wurden, um jedes Gramm Methan exakt zu messen, sieht dieser Versuch in dem offenen Stall eher grobmaschig aus. Ist dennoch mit zuverlässigen Ergebnissen zu rechnen? Ja, zeigt sich Prof. Dr. Büscher überzeugt.

Phase 1 ist abgeschlossen

Als Referenz werde die Luft vor dem Stall analysiert. Zudem mische man durch Dosiergeräte einen sogenannten „Tracer“ der Stallluft bei, ein Gas, das in der Umwelt nicht vorkommt. Messen die Wissenschaftler mit ihren Geräten im Stall genauso viel dieses Spurenstoffes, wie man zuvor abgegeben hat, dann passt das System.

Inga Schiefler von der Uni Bonn misst im Versuchsstall die Methanabgabe durch die Milchkuehe. Foto: Bernd Lauter / WAZ FotoPool
Inga Schiefler von der Uni Bonn misst im Versuchsstall die Methanabgabe durch die Milchkuehe. Foto: Bernd Lauter / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Nach einem Jahr ist jetzt „Phase 1“ des Versuchs abgeschlossen. „Wir haben zunächst die Basisdaten erhoben“, erläutert Prof. Büscher. Das Ergebnis: Bei herkömmlicher Fütterung produziert jede Milchkuh etwa 500 Gramm Methangas pro Tag. 15 bis 20 Prozent des Methans stammt dabei aus der von den Kühen produzierten Gülle. Auf Deutschland hochgerechnet entspricht das allein für die vier Millionen Kühe (ohne Mastbullen) pro Jahr 15 Millionen Tonnen CO2 – der LKW-Verkehr in Deutschland produziert 47 Millionen Tonnen CO2. In den folgenden Phasen wird es darum gehen, das Futtermittel zu variieren. Mal wird überwiegend mit Grassilage gefüttert, in einem abgetrennten Teil des Versuchsstalls mit Maissilage. Auch die Gabe von Zusatzstoffen steht auf dem Programm. Aus Laborversuchen weiß man, dass bestimmte Zugaben, die beispielsweise in Form von Pillen dem Futter beigemischt werden, die Methanbildung verringern. Oregano wurde schon getestet, ebenso Tannine und nicht wenig verspricht man sich von Knoblauch. „Allerdings ist da die Frage, wie hoch man die Dosierung wählen kann“, sagt Claudia Verhülsdonk. „Schließlich wollen wir ja nicht, dass die Milch nach Knoblauch schmeckt.“

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Expertenstreit um Bio- und Turbokuh

Die Erforschung der Methanbilanz von Rindern ist nicht ohne politische Brisanz – in mehrfacher Hinsicht. Zusatzstoffe, die den Methanausstoß verringern könnten, kosten Geld. Sie machen für Landwirte das Futter teurer. „Freiwillig setzt das niemand ein“, ahnen Experten. So wird schon spekuliert, ob Rinder mit einer Art Klimasteuer belegt werden müssen, um die Methanreduzierung voranzutreiben.

Biobauern fühlen sich zudem zu Unrecht unter Druck gesetzt. Denn: Von der Lobby der konventionellen Landwirtschaft wurde bereits der Methangas-Ausstoß der Kühe auf den Liter Milch umgerechnet. Danach stünden hochgezüchtete „Turbokühe“ der konventionellen Landwirtschaft besser da als Biokühe.

Falsch gerechnet, erwidern die Biobauern. Denn die überwiegend in großen Ställen gehaltenen „Turbokühe“ würden mit Kraftfutter ernährt, für dessen Anbau stark gedüngte Felder nötig seien.

Dabei würden große Mengen an extrem klimaschädlichem Lachgas freigesetzt. Die ganzheitlich betrachtete Klimabilanz sei bei Biokühen deshalb deutlich besser.

Kühe als Sündenböcke

Guido Simon, Biobauer mit 75 Kühen im sauerländischen Sundern, verfolgt den Expertenstreit aufmerksam. Gleichwohl findet er, dass die Diskussion in die falsche Richtung geht.

„Kühe haben den Menschen jahrtausendelang begleitet“, sagt er. Sie angesichts der Klimaprobleme als „Sündenböcke“ hinzustellen, sei unfair. „Das soll“, glaubt Biobauer Simon, „nur ablenken von anderen Dingen wie dem extremen Anstieg des Energieverbrauchs z.B. im Straßenverkehr.“