Unna. .

Es ist gerade die pure Freude, Landwirt in Unna zu sein: Wenn sich das Lachen der Sonne in den Gesichtern der Mähdrescher-Fahrer widerspiegelt. Wenn alles zusammenpasst: Qualität, Mengen und Verkaufspreise für das Getreide. Wie in diesem Sommer.

Der ist aus Sicht der Acker-Branche sehr viel besser als es die meisten Menschen derzeit empfinden. Sonne und Regen ergänzten sich nahezu ideal. Nur beim Raps variieren die Erträge stark, Gerste und Weizen, wahrscheinlich auch Kartoffeln und Zuckerrüben, stehen hervorragend; viel besser, als man im trockenen Frühling noch befürchten musste, erklärt Reinhard Döring, Vorsitzender des landwirtschaftlichen Kreisverbandes.

Dann jedenfalls, wenn man auf so guten, Wasser speichernden Böden wirtschaften darf wie rund um Unna. Dass das nicht überall auf der Welt so ist, noch nicht einmal überall in Westfalen, das gibt gerade Landwirten zu denken. Die Hungerkatastrophe in Afrika ist ein extremer Gegensatz. Wohl ein hausgemachter, meint Döring. Hilfsmittel seien dort meist falsch verwendet worden. Nach dem Gießkannenprinzip – aber nicht in nachhaltig helfende Strukturverbesserungen. Zwar exportiere Afrika mehr landwirtschaftliche Produkte als eingeführt werden – die Produktion von Lebensmitteln zur Versorgung vor Ort sei aber deutlich unterentwickelt.

Auch insofern stellt die heimische Agrarwirtschaft einen so radikalen Gegensatz zu den Armutsregionen der Welt dar. „Wir produzieren hier weitgehend für den regionalen Markt“, weiß Döring. Hier angebautes Getreide wird auch hier gemahlen und verbacken, wird hier an Tiere verfüttert – oder kann in nahen Häfen auf den umweltschonenden Wasserweg gebracht werden; hier angebaute Kartoffeln kommen in die Geschäfte oder den Wochenmarkt der Umgebung. Das erspart Kosten und Transportwege – und ist insofern, über die CO2-Bilanz, ein Beitrag zum Klimaschutz.

Was wieder globale Gedanken nahelegt: Klimaveränderungen werden – wenn sie nicht jetzt schon Hauptursache der Katastrophe in Afrika sind – zuerst die armen Regionen dieser Welt leiden lassen. In Unna wäre selbst eine stabile Erwärmung vorerst nicht schlecht für die Landwirte. Bedenklich aber findet Reinhard Döring die starke Zunahme des Mais-Anbaus zur Produktion von Bio-Treibstoff. Wo dies zu Monokulturen führt, kann der Mais zwar immer wieder wachsen, die Böden nehmen aber Schaden, was sie für den Anbau von Brot- und Futtergetreide nachhaltig schwächt. Hier sei die Agrarwissenschaft gefordert, wirtschaftlich akzeptable Alternativen für die Biogas-Anlagen zu entwickeln, findet Döring. Zwischenfrüchte, Gülle, Mist oder Stroh könnten eingesetzt werden, ohne wertvollen Acker für den Nahrungsmittelanbau zu blockieren.

Noch viel schlimmer aber findet der Landwirte-Sprecher den ungeheuren Flächenfraß, der auch vor den sehr guten Böden am Hellweg nicht Halt macht. Während alte Industrieflächen brach liegen bleiben, stellen Investoren auf jungfräulichen Ackerböden Hallen auf – mitunter sogar ohne konkreten Nutzungszusammenhang, „einfach auf Vorrat“, schimpft Döring. Brachflächen wie „Victoria“ oder, im großen Maßstab, die Entwicklung des Industriegebiets beiderseits der A2 in Bönen und Hamm sind daher die pure Provokation für den Agrar-Ökonomen.

Gedanken, die sich angesichts einer so prachtvollen Ernte wie jetzt eigentlich noch stärker aufdrängen. Neben ihren positiven Beiträgen zu einer klimaschützenden Energieerzeugung – unter anderem auch durch die vielen Photovoltaik-Anlagen auf landwirtschaftlichen Dächern – könnte die heimische Landwirtschaft auch ihre Hauptfunktion in der Nahrungsmittelproduktion pflegen. Wenn denn kurzfristige Profit-Interessen einmal durch Ideen für eine maßvolle Weiterentwicklung abgelöst würden.

Das Problem, die wachsende Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln zu versorgen, haben die heimischen Landwirte immer öfter mit im Blick, wenn sie über die Zukunft nachdenken. Umso schwerer ist es für Reinhard Döring zu ertragen, dass immer mehr beste Böden unter den Bagger statt unter den Pflug kommen. 15 Hektar Ackerland verschwinden allein in NRW täglich. In Sommern wie diesem könnten darauf 120 Tonnen besten Weizens geerntet werden.