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1963 gehörte Münster zu den Gründungsvereinen der Bundesliga. Nach einigen Jahren in der Viertklassigkeit sind die Grün-Schwarzen nun zurück im Profifußball – und schielen schon Richtung 2. Liga.

Vor dem Grill am Familienblock stehen die Menschen Schlange. Currywurst, Pommes, Mayo kosten hier vier zwanzig und heißen mittlerweile auch im Stadion von Preußen Münster genauso wie im Pott: Mantaplatte. Am Bierstand heben ein paar Fans die Bierbecher und grölen: „Auf den ersten Dreier!“ Auf ihren grünen T-Shirts steht: „Wir sind in einer anderen Liga“.

Es ist Samstag, kurz vor 14 Uhr, die neue Saison beginnt. Endlich: 3. Liga, Heimspiel gegen Unterhaching, siebeneinhalbtausend Zuschauer. Der Gegner kommt mit großen Namen: Hummels und Schwabl. Dass für die Spielvereinigung aber nur Jonas Hummels, der jüngere Bruder von Nationalspieler Mats, und Markus Schwabl, der Sohn des ehemaligen Bayern-Spielers Manni, auf dem Platz stehen, stört die Münsteraner nicht. Sie sind froh, dass ihre Preußen endlich in den Profifußball zurückgekehrt sind.

1951 verlieren die Grün-Schwarzen mit Fiffi Gerritzen das Finale um die Deutsche Meisterschaft gegen den 1.FC Kaiserslautern. Beim Start der Bundesliga 1963 ist Preußen mit von der Partie, aber es bleibt bei nur einem Jahr Erstklassigkeit. Alle Gründungsmitglieder von einst haben es nach ihren jeweiligen Abstiegen nochmal zurückgeschafft ins Oberhaus – die Preußen dagegen nisten sich in den Ligen darunter ein.

Zweimal an der Rückkehr gescheitert

Ende der Siebziger scheitert die Mannschaft unter Trainer Werner Biskup zweimal an der Rückkehr in die Bundesliga; der Misserfolg geht einher mit schwarzen Kassen und Schuldenbergen. Und 2006, ausgerechnet zum 100-jährigen Jubiläum, steigt Münster gar erstmals in die Viertklassigkeit ab. Im Mai dann die Erlösung: Preußen dominiert die Regionalliga West und ist seit Samstag endgültig Teil der 3. Liga.

Gerd Jacobi hat die Preußen als Sportredakteur der Westfälischen Nachrichten zwischen 1972 und 2007 begleitet und weiß daher, warum dem Traditionsverein seit dem Bundesligaabstieg nie mehr die Rückkehr gelungen ist. Erstes Problem: das Stadion. „Durch die WM 1974 haben einige Vereine von ihren Kommunen Gelder für Stadien bekommen“, sagt Jacobi, „Preußen konnte sich gar nicht so aufstellen wir andere Klubs.“ Zweites Problem: die Sponsoren. Preußen hat zwar innerorts außer den Volleyballerinnen des USC keine sportliche Konkurrenz, aber „es hat keine Industrie vor der Haustüre“.

Fünf Millionen Euro fürs neue Stadion

Mittlerweile sieht Jacobi die Preußen auf einem guten Weg. Vor eineinhalb Jahren sind Teile des neuen Stadions fertig geworden: die Haupt- und Gegentribüne, hinter den Toren sind Reste der Aschenbahn und die Anzeigentafel zu sehen, die es wohl schon gab, als Heribert Faßbender samstags noch die Sportschau-Zuschauer mit „Guten Abend allerseits“ begrüßt hat. Fünf Millionen hat die Stadt dafür bereitgestellt, der Bürgermeister nimmt nun auch viel lieber auf den neuen Sitzen statt auf den alten Holzbänken Platz. Und wie in scheinbar jedem Neubau gibt es auch im Preußenstadion das Phänomen, dass Frauen hier ihre Augen hinter überdimensionalen Sonnenbrillen verschanzen und Tribünenteile sich in Windeseile leeren, weil die Besucher mit dem Pausenpfiff in den Businessbereich abwandern.

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arco de Angelis sitzt in einer Loge und blickt auf den Rasen. Seit sieben Jahren ist der Rechtsanwalt Präsident bei den Preußen und lässt die Fans über die Stadionzeitung wissen, dass der Weg aus der 3. Liga nur nach oben hinausführt. Das ist sehr forsch, aber nicht wenige schreiben ihm den Konsolidierungskurs zu, mit dem der Verein große Teile seiner siebenstelligen Schulden abbauen konnte und trotzdem sportlich aufrüstete. „Der Verein ist so aufgestellt, dass er wirtschaftlich mitspielen kann“, sagt de Angelis.

Güvenisik hat sein Herz verloren

Ein Sponsorenpool von 240 Firmen stemmt den Großteil des stattlichen Fünf-Millionen-Etats, alle Logen sind vermietet. Auch wenn die Vermarktung nach eigenen Angaben allmählich ausgereizt ist, herrscht bei de Angelis Genugtuung: „Jetzt sind wir ligatechnisch mit unseren alten Rivalen Bielefeld und Osnabrück wieder auf Augenhöhe.“

Das Spiel ist vorbei, Münster und seine Gäste teilen sich mit einem 1:1 die Punkte. Sercan Güvenisik, der von 2000 bis 2003 für den MSV Duisburg 74 Zweitligaspiele absolvierte und gegen Unterhaching die Führung erzielte, kommt vom Rasen und sagt: „Das Tor widme ich Wojciech Pollok“. Jenem Stürmer, mit dem er bei Trainer Marc Fascher um den Platz in der Startformation konkurriert. Der 31-Jährige hat wie viele seiner Teamkollegen höherklassig gespielt, bei den Preußen ist er Publikumsliebling. „Hier fühle ich mich wohl, mein Herz hängt an dem Verein.“ Güvenisik hat in den vergangenen neun Jahren für sieben Vereine gespielt, im Sommer wollte er trotz Vertrags bis 2012 in die USA wechseln.

Die letzten Fans gehen nach Hause, sie sind trotz des Remis zufrieden: „Hauen wir eben Chemnitz weg.“ Auch sie tragen das Wir-spielen-in-einer-anderen-Liga-T-Shirt. Fehlt nur noch ein Sieg.