Dorsten. .

Gentleman in Dorsten, Deutschlands wahrscheinlich internationalster Star auf dem Schulhof des Uli-Reker-, pardon, des Paul-Spiegel-Berufskollegs: Da muss man vorbereitet sein, nicht für die Schule, für das Leben. Eine kleine Unterrichtseinheit.

Für Englischschüler: Der Jamaikaner an sich hat Kartoffeln im Mund beim Sprechen oder Schlimmeres. Drum will ihm Tilmann nicht recht über die Lippen kommen. ‘Tleman? Gentleman? Die Evolution eines Künstlernamens.

Und darin zeigt sich auch der Sprachwitz des Jamaikaners, den Tilmann Otto für seine Texte adaptiert hat, seit er mit 17 das erste Mal die Karibikinsel bereiste und spontan in einer kleinen Bar zum Mikro griff, um Ziggi-Marley-Songs zu singen – wie er das auf Klassenfahrt schon mal machte. Da kam ein Rasta an und sagte: „Hey, du hast ‘ne nette Stimme.” So sind die Jamaikaner. Deswegen liebt Gentleman diese Insel mit all ihren Widersprüchen. Und dafür lohnt es sich, Patois zu lernen, wie der lustige Kartoffel-Dialekt heißt.

Für Religionsschüler: Tilmann Otto kommt aus einer Kölner Pastorenfamilie. Und mit seinen Liedern transportiert er bevorzugt die Botschaft von Toleranz und Spiritualität. Das hat ihn auch immer am Reggae angesprochen: der gefühlte „Wahrheitsgehalt in der Musik“.

„Du machst fast das Gleiche wie ich”, sagte ihm darum mal sein Vater, „nur dass du mehr Leute erreichst.” Aber der Sohn sieht sich nicht als Missionar. „Ich bin zu sehr Sucher, um anderen etwas zu sagen . . . Mein Gott ist der Spirit”, erklärt er. Eine kollektive Energie, vielleicht das Gute imMenschen. Das meint Gentleman, wenn er von „Jah” singt. Echte Rastas verehren allerdings den äthiopischen Herrscher Haile Selassie (Geburtsname Ras Tafari Makonnen, wobei Ras ein Titel ist) – als Gott. Ein Punkt, den Gentleman kritisch sieht. Ebenso wie die Auffassung unserer Kirchen. „Hier ist es kalt, hier kann ich Gott nicht spüren . . . Konsequenterweise müsste ich austreten, ich überlege aber, ob ich aus Respekt für meinen Vater drin bleibe.”

Für Sportschüler: Gentleman hatte schon ein Leben vor der Musik. Mit 14 Jahren wurde er Deutscher Meister im Skateboard-Fahren, Unterdisziplin „Streetstyle”. „Aber nur weil meine zwei größten Konkurrenten nicht mitfuhren”, verriet er mal im WAZ-Interview. Damals übrigens hörte er lieber AC/DC und Anthrax, harte Gitarren für die harte Straße, bis ihm sein großer Bruder die erste Reggae-Platte schenkte: Dennis Brown, „Wolf & Leopards”.

Für Erdkundeschüler: Wo ist so ein Typ eigentlich zu Hause? In Köln oder in Jamaika? „Weder noch“, sagt Gentleman. „Ich verbringe die meiste Zeit an Flughäfen und im Tourbus.“ Zuhause wird für ihn mehr und mehr ein Zustand, weniger ein Ort. Eben da, wo die Freunde sind, wo die Familie ist: seine Frau Tamika und die beiden gemeinsamen Kinder. Aber auch ihretwillen bemüht sich Gentleman, drei, vier Monate im Jahr in Köln zu verbringen.

„Früher bin ich in ein Loch gefallen, wenn ich aus Jamaika wiederkam. Aber es hat sich mehr und mehr verschoben . . . Ich will drin bleiben in dieser Gesellschaft”, sagt der 37-Jährige. „Es ist schwer manchmal, aber ich will drin bleiben und trotzdem rebellieren.”

Für Musikschüler: Einfach zunächst mal gut zuhören! Und dann vielleicht selber zur Gitarre, zum Keyboard, zum Schlagzeug und zum Mikro greifen.