Bergkamen. .
Der Vorwurf: schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes. Die Strafe: 80 Stunden Freizeitarbeit. Dazwischen die erschreckende Geschichte zweier junger Menschen aus einem Milieu, das den Boden für derartige Verbrechen nachhaltig nährt.
Vanessa-Desiree war gerade einmal 13, als sie mit dem sechs Jahre älteren Gerd (alle Namen geändert) über dessen Schwester anbandelte. Gemeinsame Spaziergänge mit dem Hund, erste Berührungen und Geknutsche, schließlich habe man in ihrem Zimmer allein einen Film geguckt und dann sei es passiert: „Einfach so, sie hat mich gefragt“, nuschelt der 19-Jährige. Beide hätten es so gewollt und wollten es danach auch immer wieder. Er erzählt es stockend und mit gesenktem Kopf, dass ihm die dicke Brille von der Nase zu fallen droht.
Immer wieder sucht er im Jugend-Schöffengericht Unna nach den einfachsten Worten oder macht eine Pause, weil er die Reihenfolge der Monate unter der Anklagebank an den Fingern abzählen muss. Für den Abschluss an der Förderschule war es halt unbedeutend, ob man das Gesetz kennt, das Sex mit einer Person unter 14 Jahren bestraft. Schließlich waren derartige Übergriffe für ihn nicht unnormal, weil er und seine vier Geschwister damit groß geworden sind. Und anders als der eigene Vater gab es zwischen ihm und Vanessa-Desiree niemals Gewalt.
Gewalt wurde niemals angewendet
„Sie hat sich nicht gewehrt“, flüstert der 19-Jährige. Er mag sogar so etwas wie Zustimmung oder Duldung der Beziehung gespürt haben, als er nach dem Rauswurf aus dem Elternhaus bei der Mutter seiner kleinen Freundin unterkam.
„Küssen und Händchenhalten wurden geduldet“, so sein Anwalt. Der Verdacht weiterer Wahrnehmungen oder gar der Beihilfe der Mutter drängt sich dem Jugend-Schöffengericht unter Vorsitz von Birgit Vielhaber-Karthaus schon auf, wird aber schlussendlich nicht bestätigt, weil der Angeklagte der mittlerweile 14-Jährigen mit seinem umfassenden Geständnis eine Aussage vor Gericht ersparte.
„Starke Entwicklungsverzögerungen“ attestiert ihm die Jugend-Gerichtshilfe, die seit nunmehr 15 Jahren „massive Auffälligkeiten“ in der Familie und im Umfeld des Angeklagten feststellt und Hilfe anbietet, ohne aber bislang geeignete Lösungen gefunden zu haben. Die Tat des jungen Mannes, der bislang zweimal wegen Fahren ohne Führerscheins verurteilt wurde, wird nach dem Jugend-Strafrecht geahndet, so dass er wegen des „schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern“ mit der Auflage von Freizeitarbeit davon kommt und nicht in Haft muss.