Halver.

Diebstahl im Hühnergehege – eine Krähe hat ein Ei stibitzt und die Spatzen fressen dem Federvieh die Körner weg. Veronica Brendel und Marlies Spryhs lächeln milde. Der Frieden im Haus Waldfrieden wird auch durch diese Kleintier-Kriminalität nicht gestört.

Die beiden Seniorinnen machen ihre tägliche Spazierrunde. In der Anlage am Hälversprung gehören Tiere zum Alltag dazu. Neben den gefiederten Genossen zählen zwei Katzen, sieben Kaninchen und drei Meerschweinchen zur Waldfrieden-Wohngemeinschaft für demenzkranke Menschen. Das Leben in der Einrichtung inmitten der Natur ist Heimleben der etwas anderen Art. Leiter Bernd Lauermann setzt auf das Hausgemeinschaftsprinzip und dazu gehören eben auch Haustiere.

Es geht dort zu wie in der Familie und jeder macht das, was er kann. „Das habe ich früher auch gemacht“ - da fällt es den Bewohnerinnen und Bewohnern leichter, sich wohl zu fühlen und der Gefahr zu entgehen, sich zu isolieren und hospitalisiert zu werden. Jeweils acht bis neun Männer und Frauen wohnen in einer Hausgemeinschaft (HG). Sie haben ihre eigenen Zimmer mit eigenem Bad, doch das Leben spielt sich in der großen Wohnküche mit gemütlichen Sofas und Sesseln ab. Hier wird gekocht, gesungen, gespielt, gearbeitet. Bei schönem Wetter verlagert sich das Geschehen auch in den Innenhof. Dort trifft man die Nachbarn aus den anderen Hausgemeinschaften.

HG 11 A und B trägt die Verantwortung für die Hauskatzen. Der pechschwarze und der weiß-braune Sofatiger stammen aus dem Tierheim bzw. von einer Mitarbeiterin, die zu Hause keine Möglichkeit hatte, die Katze zu betreuen. Die beiden genießen das Leben im Haus Waldfrieden. Sie wissen, mit wem sie schmusen können und wer sie verwöhnt.

Erinnerungen an den
Stall zu Hause

Christel Eversberg kuschelt mit Emma Peel, dem Meerschweinchen. John Steed dagegen verkriecht sich im Stall gemeinsam mit seiner Kollegin. Beiden ist es zu heiß draußen. In Kürze ist Nachwuchs bei Meerschweinchens angesagt. Eines der sieben Kaninchen lässt sich von Hilde Heinrich mit einer Möhre anlocken. „Mein Vater hatte auch Kaninchen…“, erinnert sich die Seniorin und streichelt das kuschelige Langohr.

Jetzt noch ein kurzer Kontrollbesuch bei den Hühnern. Den Überfall hat das Federvieh locker weg gesteckt. Die Oberaufsicht über das Gehege hat Familie Dossow von nebenan und das schon seit 2004. Damals wollte Bernd Lauermann Hühner für Haus Waldfrieden, hatte aber keine Erfahrung in der Haltung. Claudia, Jan und Lena Dossow wollten auch Hühner. Sie kannten sich mit der Haltung aus, hatten aber keinen Platz in ihrem kleinen Garten. Das passte. Claudia Dossow arbeitet an der Lindenhof-Schule und bringt schon mal Verstärkung mit. Eine willkommene Abwechslung für alle Beteiligten. Die Schülerinnen und Schüler freuen sich über die Tiere und helfen gern, erst recht, wenn sie wie kürzlich sogar Bagger fahren durften, erzählt Bernd Lauermann.

Eigene Lebenswelt

Die übliche Normalität des Alltags bedeutet für Demenzkranke eine ständige Überforderung, sagt der Psychologe Dr. Sven Lind.

Die Lebenswelt der Erkrankten, so seine Folgerung, muss deshalb so gestaltet werden, dass sie ihrem Reaktions- und Verarbeitungsvermögen entspricht. „Der demenzspezifischen Normalität obliegt die Aufgabe, eine eigene Lebenswelt zu schaffen, die alle Lebensaspekte Dementer zu integrieren vermag“, sagt er.

Er plant schon den nächsten Coup mit den Dossows. Wo es Hühner gibt, da dürfen auch Enten nicht fehlen. Fünf Laufenten sind im Frankenland bei Freunden im Wartestand. Auf dem Papier steht ihr neues Domizil bereits. Haustier-Fan Lauermann hält die Zeichnung in der Hand. In den Bachlauf wird ein Wasserfall eingeplant, der dann in einen Ententeich mündet. Sobald der Rohbau fertig ist, geht es los.

Kein Stillstand
im Kräutergarten

So gibt es im Haus Waldfrieden keinen Stillstand, keine Langeweile. Schließlich sind da auch noch die Kräuter- und Gemüsebeete.

Gisela Koch und Dana Wischnewski vom sozialen Dienst kümmern sich gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern, dass alles wächst und gedeiht. „Wir pflanzen, was man so früher hatte“, erklärt Gertrud Starke und Gisela Koch verrät: „Frau Lübke kennt zu allem das passende Lied“.

„Wir essen draußen. Es gibt Salat. Welche Kräuter nehmen wir?“ Naziye Karagöz nimmt ihre HG-Mitglieder in die Pflicht. Ursula Meyer entscheidet sich für Schnittlauch und Basilikum. Die Tomaten sind noch nicht reif und auch der Kohlrabi braucht noch etwas.