Märkischer Kreis. .

Aus den Augen, aus dem Sinn: Erst jetzt realisieren viele Hausbesitzer, dass enorme Kosten auf sie zukommen: Experten schätzen, dass zwischen 80 und 90 Prozent der 88 500 Abwasseranschlüsse im Kreis saniert werden müssen. Das Land rechnet im Schnitt mit Kosten in Höhe von 3000 Euro – macht einen Gesamtbetrag von mindestens 200 Millionen Euro.

Erste Untersuchungen zeigen, dass sich viele Hausbesitzer zu Unrecht sicher fühlen. Selbst in Wohngebieten, die erst vor wenigen Jahrzehnten erschlossen wurden, entdeckten die Gutachter Schäden. Geschrumpfte Dichtungen, Haarrisse in den Leitungen – kaum ein Rohr ist ohne Mängel.

Joachim Reiß, der im Iserlohner Rathaus für die Abwasserbeseitigung zuständig ist, wundert das nicht. Schließlich sind die Sachverständigen Angestellte jener Firmen, die an den Sanierungen verdienen. „Eine sehr unglückliche Situation“ sei das, bestätigt Reiß, zumal nicht klar definiert sei, wann ein Schaden saniert werden muss.

Dass zum Beispiel auch Rohre von Einfamilienhäusern bei minimalen Schäden aufwendig saniert werden müssen, hält der Abwasserexperte für überzogen: „Ich halte es für notwendig, dass wir Bagatellgrenzen bekommen und eine Gewichtung der Schäden vornehmen“, so Reiß.

Ministerium hat
Erlass angekündigt

Der Iserlohner blickt in diesem Zusammenhang zuversichtlich auf die kommende Woche. Aufgrund des Drucks von zahlreichen Kommunen und Bürgerinitiativen will das Umweltministerium dann in Düsseldorf einen Erlass verkünden, der das Gesetz aller Voraussicht nach entschärfen wird. Im Hinblick auf diese Änderungen empfiehlt der Experte allen Bürgern, abzuwarten und jetzt keine teure Sanierung zu starten.

Abwassergesetz

Bis spätestens 2023 müssen alle Abwasserleitungen, die nicht im Haus verlaufen, überprüft werden.

Wie umfangreich geprüft wird, entscheiden die Kommunen.

Die Prüfung muss künftig alle zwanzig Jahre wiederholt werden.

Unabhängig von dem, was in Düsseldorf verkündet wird, gibt es schon jetzt eine Möglichkeit, sich eine unabhängige Meinung einzuholen: „Wenn jemand seinen Schaden nicht reparieren lässt, tritt die Kommune als Ordnungsbehörde auf den Plan und muss einschätzen, ob der festgestellte Schaden tatsächlich repariert werden muss.“

In solchen Fällen, so Reiß, werde zumindest die Stadt Iserlohn ihren Spielraum ausnutzen und eine Gefährdungsabschätzung vornehmen. Dabei würden die Menge und Belastung des Abwassers, der Schadensumfang, die Sanierungskosten und die finanziellen Möglichkeiten des Hausbesitzers berücksichtigt.

Dass das Gesetz derzeit in jeder Kommune anders ausgelegt wird, hält Reiß schlicht für eine „Katastrophe“. Irgendwann werde es durch die Gerichte zwar einheitliche Standards geben, doch dann sei es „für die meisten Bürger wohl zu spät“.