Lünen. .

In der Zeit, als Buddy Holly noch die Schulbank drückte und Elvis Presley gerade seinen Trucker-Führerschein machte, riss ein Mann die damalige Jugend bereits zu Begeisterungsstürmen hin: Bill Haley. Die Lebensgeschichte dieses Pioniers des Rock ’n’ Roll präsentierte am Samstag mit der Big-Band-Revue „Rock around the clock“ die Cult-Consult-Show-Productions im ausverkauften Heinz-Hilpert-Theater.

Statt szenischer Darstellungen bot man ein ausgeklügeltes Show-Konzept, das beim Publikum bestens ankam. Die unvergleichliche Ausdruckskraft der Musik und Tänze konnte mehr von der damaligen Zeit vermittelten als tausend Worte. Was aus Haleys Leben zu erzählen war, referierte in unterhaltsamer Form Danny Richter als Rundfunkmoderator Alan Freed, der den Begriff Rock ’n’ Roll erfunden haben soll. Ausschnitte aus Wochenschauen verdeutlichten die revolutionäre Sprengkraft dieser Musik, das Ausbrechen der damaligen Jugend aus den bürgerlichen Zwängen und die Empörung der ewig Gestrigen. Wie bei den meisten amerikanischen Sängern stand auch bei Haley, damals von den „Saddlemen“ begleitet, die Country-Musik am Anfang der Karriere.

Der Song, der die Welt verändern sollte

Doch schnell nahm er Elemente des Rhythm und Blues auf, es folgten ungewöhnliche Instrumentierungen, aus dieser Mischung entstand der Rock ’n’ Roll. Bei den jetzt wilder gewordenen Klängen wurde Haley von der „Comets“ begleitet. Und dann kam 1954 der Song, der die Welt verändern sollte: „Rock around the clock“, bis heute weit über 50 Millionen Mal verkauft.

Das „Bill Haley Orchester “ hatte alle berühmten Titel neu arrangiert und präsentierte sie in Lünen im breiten Big-Band-Sound. Vielleicht war es gerade diese Mischung aus neuem Arrangement und vertrauten Melodien, die das Lüner Publikum so ansprach, dass es bereits bei den frühen Country-Songs und erst recht bei so bekannten Titeln wie „Shake, Rattle an Roll“ begeistert mitging. Als noch Alexis Pope als Little Richard die „Long Tall Sally“ besang und bereits kurz vor der Pause „Rock around the clock“ erklang, hatte das Rock ’n’ Roll-Fieber nahezu jeden im Saal gepackt.

Wer geglaubt hatte, das sei der Höhepunkt gewesen, wurde im zweiten Teil des Konzerts eines Besseren belehrt. Da gab es nahezu artistische Showeinlagen: Ohne sein Spiel zu unterbrechen, kletterte Lead-Saxophonist Noby Solback über den Orchestergraben, balancierte auf der schmalen Rampe und stieg dann über die vollbesetzten Stuhlreihen. Mani Lythle als Bassist und Hugh Cellarhope als Drummer bedienten ihre Instrumente noch im Liegen. Dann bildete das gesamte Orchester ein atemberaubende Pyramide, während die Tänzer nicht nur die eigenen Hüften, sondern auch die Partner durch die Luft schwangen. Und auch musikalisch gab es Steigerungen, mit Caravan und einem mehrminütigen, grandiosen Schlagzeugsolo.

Gegen Schluss der Vorstellung schlug die Publikumsbegeisterung in Euphorie um, aus Zustimmungsrufen wurden Begeisterungsschreie. Es hielt niemanden mehr auf den Sitzen, tanzbegeisterte Paare sprangen auf die Bühne. Selbst Zuschauer, die die Sechzig weit überschritten hatten, bewegten sich rhythmisch auf dem kleinen Raum, den ihnen die Stuhlreihen ließen. Kommentator Alan Freed konnte feststellen, dass er zu Recht das Hilpert Theater in „Brooklyn-Paramount-Dance-Theatre“ umbenannt hatte. Als nochmals „Rock around the clock“ erklang, wurde deutlich, dass der Rock ’n’ Roll, damals als Eintagsfliege beschimpft, nicht nur die Uhr, sondern auch die Zeit besiegt hat.