Halver. .
SchülerVZ, MySpace, Facebook – für viele Erwachsene böhmische Dörfer, sind solche und ähnliche Internet-Plattformen für einen Großteil der Jugendlichen fast eine zweite Heimat. Dort geben sie alles preis, weil die „Community“, die Gemeinschaft der Nutzer wie eine Familie wirkt. Doch der Schein kann trügerisch sein – und gefährliche Folgen haben. Auch in Halver ist „Cybermobbing“ keine Randerscheinung mehr.
„Ein Thema ist es auf jeden Fall“, weiß Beate Kolb vom Jugendzentrum Halver; sie leitet dort die Mädchengruppe. Cybermobbing – sprich hemmungslose Beleidigungen, obszöne Online-Botschaften, im schlimmsten Fall die unverhohlene Aufforderung, sich etwas anzutun – sei heute bei Kindern und Jugendlichen ein Thema, sobald sie das computerfähige Alter erreichten.
„Es gibt immer wieder dumme Kommentare, das habe ich schon beobachtet“, erzählt Beate Kolb auf WR-Anfrage und erklärt, warum vor allem Mädchen im Teenager-Alter oft zum Opfer werden. „Mädchen begutachten sich gegenseitig im Internet, bewerten sich zum Beispiel mit ‘Du bist voll hübsch!’ – aber dann gibt es eben auch oft genug ganz andere, gegenteilige Bewertungen.“ Sie habe auch schon erlebt, dass Mädchen „ganz bewusst auf Seiten von ‘doofen Mädchen’ gehen, und dann wird abgelästert“. Selbst dass Profile gefälscht werden, sei ihr schon untergekommen.
Der Unterschied zu Streitereien und Schikanen im echten Leben ist die Tragweite. Immerhin sind die Demütigungen quasi auf Knopfdruck präsent, wird das Opfer vor einer schier unbegrenzten Anzahl von Zeugen an den Pranger gestellt; in einem Alter, in dem Mädchen besonders verletzlich sind, wenn es um die eigene Person geht, mit unabsehbaren Folgen.
„Mir ist ein Fall bekannt, bei dem ein Mädchen zur Zielscheibe wurde – wobei ich den Eindruck hatte, dass es ihm im wirklichen Leben nicht anders erging“, so Beate Kolb. „Ich hatte damals den Eindruck, dass sie in jeglicher Beziehung gemobbt wurde und dass sich dies im Netz fortsetzte.“
Hilfsangebote
Studien zufolge ist bundesweit jeder fünfte Jugendliche als Täter oder Opfer an Cybermobbing beteiligt. Die Dunkelziffer gilt als hoch.
Jüngst meldeten sich Kinder- und Jugendpsychiater der Marsberger LWL-Kliniken zu Wort. Sie behandeln immer mehr Jugendliche, die über soziale Netzwerke oder Videoportale bloßgestellt werden.
Vor allem bei Mädchen könne Cybermobbing dazu führen, dass sie sich selbst verletzen oder an Suizid denken.
Anonyme Hilfe bietet die Internetseite der AWO unter www.find-yourway.de. Telefonische Beratung ist auch unter (0 23 54) 58 33 erhältlich. Die Angebote sind kostenlos.
Den Opfern zu helfen, sei nicht leicht, auch wenn sie ein enges Vertrauensverhältnis zu „ihren“ Mädchen habe. „Die Betroffenen sind teils sehr gehemmt“, erklärt Beate Kolb. „Oft sind es ihnen bekannte Leute, die mobben. Deshalb haben sie Angst, schleppen die seelische Last lieber mit sich herum und wagen es nicht, sich jemandem anzuvertrauen – es könnte dadurch ja alles noch schlimmer werden.“
Ein Kreislauf, aus dem auszubrechen auf den ersten Blick fast unmöglich erscheint. Was also lässt sich tun, um Opfern zu helfen bzw. es gar nicht erst zum Cybermobbing kommen zu lassen?
Beate Kolb setzt auf Prävention. „Aufklärung ist das A und O – zu allererst auch die der Eltern! Sie müssen ein Auge darauf haben, was ihre Kinder tun, und sie auch auf Gefahren hinweisen.“ Auch die Schulen seien hier gefragt, „aber da wird meiner Erfahrung nach gute Arbeit geleistet“.
Nicht zuletzt müssen die Jugendlichen sensibilisiert werden, muss ihnen begreiflich gemacht werden, dass Cybermobbing alles andere als ein Kinderstreich ist. „Man muss ihnen klar machen, wie schlimm es ist, wenn man vor aller Welt gedemütigt wird.“
Hier sei die enge Zusammenarbeit mit der AWO-Jugendberatungsstelle Meinerzhagen eine wertvolle Hilfe. „Beraterin Susanne Bisterfeld ist regelmäßig bei uns zu Gast, um die Mädchen über die verschiedenen Hilfsangebote aufzuklären, zum Beispiel auch über die anonyme Online-Beratung Find-yourway.de.“
Denn eines sei ganz wichtig: „Die Mädchen müssen wissen, wo man im Notfall Hilfe finden kann. Wir versuchen, ihnen etwa auch mit regelmäßigen Fahrten zu ‘Wildwasser’ in Hagen – einem Verein gegen sexuelle Gewalt an Mädchen – oder eben durch den engen Kontakt zur AWO zu zeigen, dass es für jedes Problem irgendwo Hilfe gibt.“
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