Lüdenscheid. In der Ratssitzung vom vergangenen Montag hat Gleichstellungsbeauftragte Elisabeth Wilfart den 3. Frauenförderplan für Lüdenscheid vorgestellt. Über Bilanz und Perspektiven ihrer Arbeit äußert sie sich im Gespräch mit der WR .

WR: Frau Wilfart, 15 Jahre Gleichstellungsstelle in Lüdenscheid, der dritte Frauenförderplan liegt vor, warum gab es am Montag keinen Kuchen im Rat?

Elisabeth Wilfart: Nächstes Jahr werden es zehn Jahre, dass ich für die Stadt Lüdenscheid arbeite. Und dann gibt’s Kuchen!

Sie sagen, als Gleichstellungsbeauftragte seien sie häufig auf sich allein gestellt. Wie ist das gemeint?

Als Querschnittsaufgabe in der Verwaltung gehört die Gleichstellungsbeauftragte überall dazu und doch nirgends so richtig. Manchmal ist es schwierig, für wichtige Themen aktive und nicht nur passive Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu finden.

Welche wichtigen Verbesserungen würden Ihnen aus den letzten neun Jahren spontan einfallen?

Das Thema Vereinbarkeit und Beruf wurde intern wie extern vorangebracht mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, Telearbeit, Inhouse-Büro usw. wobei viel zu wenige Männer die Möglichkeiten nutzen. Die Arbeit gegen häusliche Gewalt wurde deutlich intensiviert durch den runden Tisch und durch Öffentlichkeitsarbeit. Gleichstellung ist vielen ein Begriff. Durch Projekte und Veranstaltungen kenne ich und kennen mich viele Personen und Institutionen in Lüdenscheid. Dadurch wird vieles in der Arbeit erleichtert oder erst ermöglicht. Und es gibt bei der Lüdenscheider Feuerwehr drei hauptberufliche Feuerwehrfrauen.

Und umgekehrt: Was sind die zentralen Dinge, die nicht erreicht wurden?

Es gibt noch einiges zu tun: Frauen verdienen weniger als Männer: Der Unterschied in den Stundenlöhnen ist in Deutschland mit 23 Prozent sehr hoch – so sind Frauen besonders von Niedrigstlöhnen unter fünf oder sechs Euro betroffen. Es müssen mehr Frauen in Führungspositionen, auch bei der Stadt Lüdenscheid. Der berufliche Lebenslauf von Frauen ist im Gegensatz zu den Männern stark von Unterbrechungen geprägt – meist wegen Familienbetreuung. Das wirkt sich negativ auf den restlichen Erwerbsverlauf aus – zum Beispiel durch fehlende Qualifikationen oder Berufserfahrungen, die oft für eine Führungsposition notwendig sind.

Wie kann man das beheben?

Möglichkeiten der Kinderbetreuung müssen weiter optimiert und ausgebaut werden. Vor allem Alleinerziehende müssen noch mehr unterstützt werden. Die Betreuung der Kinder und die Hausarbeit muss von beiden Geschlechtern getragen und durchgeführt werden. Mehr Männer in Elternzeit! Und junge Frauen müssen bei ihrer Berufswahl noch mehr an technische Berufsfelder, gerade in unserer Region.

Der 3. Frauenförderplan sagt: Männer haben die besser bezahlten Jobs, Frauen die schlechteren. Ist das in erster Linie ein Strukturproblem?

Es gibt nie eine alleinige Ursache für ein Problem. Junge Frauen fühlen sich erstmal von vornherein nicht benachteiligt, Untersuchungen beweisen das. Mädchen machen die besseren Abis und auch die besseren Hochschulabschlüsse – überprüft man dann aber die sog. „Bildungsrendite“ - sind doch die Männer in den besser bezahlten Führungspositionen. Nach wie vor wird eher das traditionelle Familienbild gelebt: Vater arbeitet, Mutter ist zu Hause – zumindest eine Zeit lang und dann mit anschließender Teilzeitarbeit.

Oder fehlt Frauen einfach das Selbstbewusstsein?

Ich möchte nicht mit Klischees antworten – nach dem Motto: Männer haben Spaß an Macht – Frauen nicht. Nicht alle Frauen haben den Wunsch, mehr Führungsverantwortung zu übernehmen, im Übrigen viele Männer auch nicht. Es muss – wie schon in skandinavischen Ländern – selbstverständlicher werden, dass Frauen und Männer sich für die Familienarbeit und/oder für Führungspositionen entscheiden können.

Sie haben ja eine Kontroll-, aber auch eine Anwaltsfunktion für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Können Sie sich da auch empören? Und wenn ja, worüber?

Empören ist nicht der richtige Ausdruck – manchmal wird die Gleichstellungsarbeit vor einem Karren gespannt, um eigenes Unvermögen zu erklären. Dann wird schon mal unterstellt, „Mann hat die ausgeschrieben Stelle nicht bekommen, weil automatisch immer Frauen bevorzugt werden“.

Sie sind überzeugte Netzwerkerin. Wem würden sie als erstes danken nach diesen zehn Jahren?

Ich danke allen, die die Gleichstellungsarbeit in unterschiedlichster Art und Weise aktiv unterstützt haben.

Haben Sie es als Mutter trotz ihrer Stabsfunktion eigentlich geschafft, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen?

Ja – mit Freude und Stress, wie andere Familien auch.

Ihr erklärtes Ziel ist es, dass die Funktion der Gleichstellungsbeauftragten irgendwann überflüssig wird. Haben Sie akut Angst um ihren Arbeitsplatz?

Nein.