Lüdenscheid. .

„Sie können uns dem Henker überantworten. In drei Monaten zieht das gequälte und empörte Volk Sie zur Rechenschaft und schleift Sie bei lebendigem Leib durch den Kot der Straßen.“

Seinen Widerstand gegen das NS-Regime musste Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben, dem das Institut für Geschichte und Biographie am Mittwochnachmittag ein „Lüdenscheider Gespräch widmete, mit dem Leben bezahlen. Mit obigen Worten, an den berüchtigten Volksgerichtshof-Präsidenten Roland Freisler gerichtet, kommentierte er am 8. August 1944 sein Todesurteil. Im Kreis der Verschwörergruppe um Stauffenberg (und vorher) war er der ranghöchste Soldat, der dem Unrechtsregime die Stirn bot. Intensiv beleuchtete Georg von Witzleben, Doktorand von Institutsleiter Professor Dr. Arthur Schlegelmilch, am Mittwoch das Leben seines entfernten Verwandten, dem eine Schlüsselrolle in den Plänen der Verschwörer zugedacht war. Großes Interesse fand das „Lüdenscheider Gespräch“ mit dem Historiker, der vor voll besetzten Rängen Auszüge aus seiner fertig gestellten Doktorarbeit vorstellte und Forschungslücken schloss.

Umfangreiches
Bildmaterial

Umfangreiches Bildmaterial begleitete die fundierten, spannenden Ausführungen, in denen von Witzleben den Porträtierten in Zitaten immer wieder selbst zu Wort kommen ließ.

Eindrucksvoll entwarf der Doktorand das Bild eines Mannes, der lieber Förster als Soldat geworden wäre, das NS-Regime anfangs mit einer Mischung aus Skepsis und Hoffnung betrachtete, recht schnell aber zu der Erkenntnis gelangte, besser einen Menschen – Hitler – als Millionen zu opfern. Lokalen Bezug erhielt die Veranstaltung durch von Witzlebens Querverweis auf den in Lüdenscheid geborenen Helmuth Groscurth, der engster Vertrauter des Generalfeldmarschalls und einer der schärfsten Gegner Hitlers war. „Er hatte ein besonderes Vertrauensverhältnis zu von Witzleben“, so der Doktorand. Im April 1943 starb Groscurth in russischer Kriegsgefangenschaft. Detailliert ging der Referent auf das Kriegstagebuch von Witzlebens im Ersten Weltkrieg („Er hatte Sorge, dass die Opfer umsonst gebracht wurden“), seinen christlichen Glauben und das Magenleiden, das er sich im Krieg zuzog, ein. Während des Krieges, in dem er sich an der Westfront mehrfach durch besondere Tapferkeit auszeichnete, sei seine Karriere deutlich überdurchschnittlich verlaufen. Obwohl er sich mit Überlegungen trug, die Armee zu verlassen, blieb er letztlich in der Reichswehr und kletterte die Karriereleiter steil herauf. Zur Sprache kamen von Witzlebens scharfer Protest nach Ermordung der Generale von Schleicher und von Bredow (Röhm-Putsch), seine aktive Rolle bei der geplanten Verschwörung von Generaloberst Ludwig Beck während der Sudetenkrise 1938 und weiterer Umsturzversuche. Schon früh erkannte der Offizier, der einen langen Krieg befürchtete, dass ein Neuanfang ohne die Tötung des Tyrannen nicht möglich sein würde. Wäre Stauffenbergs Attentat geglückt, hätte von Witzleben, der die Nazis als „braune Pest“ betrachtete, den Oberbefehl über die Wehrmacht übernommen. Er wurde unehrenhaft entlassen, um ihn vor den Volksgerichtshof stellen und demütigen zu können. „Man gab ihm zu weite Hosen und nahm ihm die Prothese weg.“