Nachrodt-Wiblingwerde. .

Diana May-Ganswind hat es nur ihrer privaten Lebensumstände zu verdanken, dass sie ihren Beruf als Hebamme noch ausüben kann. Weil sie auch in der Geburtshilfe tätig ist, zahlt sie horrende Beiträge an die Berufshaftpflicht. Die Hebammen in NRW haben alle Kolleginnen deshalb zum Streik aufgerufen. Lange können viele der Frauen allein nicht mehr durchhalten.

Geburtshilfe bedeutet
Rund-um-Service

Nach dem Besuch beim Gynäkologen folgt bald das erste Gespräch mit der Hebamme. „Zuerst kommen die Frauen alle vier Wochen, später alle 14 Tage und zum Schluss der Schwangerschaft täglich“, erklärt Diana May-Ganswind. Die Hebamme steht mit den Müttern die schmerzhafte Geburt durch und bleibt so lange im Krankenhaus, bis klar ist, dass Mutter und Kind wohlauf sind. Danach folgen Besuche der Mutter in der Praxis und die Hebamme kommt auch ins Haus. „In Stunden kann man die Betreuung kaum berechnen“, erklärt Diana May-Ganswind.

Für den Rund-um-Service werden Hebammen in der Geburtshilfe mit enormen Berufshaftplichtsbeiträgen belastet. Die Beispielrechnung: Bei einem Beitragssatz von 3.700 Euro und 537 Euro Gehalt für eine Hausgeburt, muss eine Hebamme sieben der Geburten allein für die Versicherung begleiten. Hebammen, die lediglich vor und nach der Geburt Mütter und Kinder betreuen, zahlen weitaus weniger. „Das hängt mit der Klagefreudigkeit in Deutschland zusammen. Und am medizinischen Fortschritt, der auch Frühstgeborenen eine Überlebenschance einräumt“, erklärt die Nachrodterin.

Forderung nach Rundem Tisch

Haupt-Adressaten des Streiks sind die gesetzlichen Krankenversicherungen.

Die Hebammen fordern die Aufnahme in den Präventionskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen und die Anpassung der Vergütung an vergleichbare andere Anbieter von Präventionsmaßnahmen.

Die besondere Arbeitssituation der freiberuflichen Hebammen müsse bei den Gebührenverhandlungen insbesondere berücksichtigt werden.

Hier seien die erhöhten Haftpflichtprämien, Praxis- und Fahrzeugkosten sowie Kosten für Fortbildungen und Qualitätssicherung einzubeziehen.

Die Hebammen in Nordrhein Westfalen fordern einen Runden Tisch, an dem Familien- und Gesundheitsministerium, Vertreter/innen der Krankenkassen und der Hebammenverbände zusammenkommen, um konkrete politische und gesetzliche Regelungen zu finden und deren Umsetzung voranzutreiben.

Diana May-Ganswind arbeitet in Teilzeit, zahlt aber dennoch den gleichen Betrag, wie alle anderen Berufskolleginnen in Vollzeit. „Ohne meinen Mann als Hauptverdiener könnte ich den Beruf nicht ausüben, wenn ich davon allein meine Familie ernähren müsste“, erklärt sie offen. Von anderen freiberuflichen Kolleginnen hat sie schon erfahren, dass sie aufgeben mussten.

Diana May Ganswind sieht schlimme Zeiten auf die Geburtskultur in Deutschland zukommen, wenn Politik und Krankenkassen keinen Konsens finden: „Dann wird es so sein, dass ein Dutzend Frauen in der Klinik von einem Hauptmonitor überwacht werden müssen, weil nicht mehr genug Hebammen da sind, die sich kümmern.“

Die Entscheidung für eine Hebamme treffen viele Frauen aufgrund des Vertrauensverhältnisses zu ihrer Geburtshelferin sehr bewusst, weiß Diana May-Ganswind. „Von den Eltern her erfahren wir volle Solidarität. Das wünschen wir uns auch von der Gesundheitspolitik.“

Der Hebammenverband NRW ruft in den Regierungsbezirken nun zum Streik auf. Die Arnsberg angehörigen Hebammen sind am 16. März aufgerufen, sich in Olpe an der Hebammengemeinschaft Klapperstorch einzufinden. Auch Sympathisanten können zwischen 11 und 14 Uhr am öffentlichen Protest teilnehmen.

Im Sommer 2010 starteten die Hebammen eine Petition. Damals setzten sich 200 000 Menschen für freie Hebammen und Geburtshäuser ein. Nachdem der Petitionsausschuss sich mit den Forderungen befasst hatte, machte das Bundesgesundheitsministerium Zusagen, die bis heute nicht erfüllt worden sind.

„Den freiberuflichen Hebammen läuft aber die Zeit davon“, erklärt Diana May-Ganswind. Ersparnisse und Kräfte der Frauen sind irgendwann aufgebraucht. Für einige Berufskolleginnen, so weiß sie, ist es schon zu spät.