Bergkamen. .

Justus (5) stupst mit seiner kühlen, feuchten Schnauze an die ineinander verhakten Finger von Erika M. (Name geändert). Der braun-weiß gescheckte Hundemischling sucht das Leckerli, das die Seniorin für ihn bereit hält.

Die Bewohnerin des AWO-Seniorenheims Hermann-Görlitz leidet unter Demenz in einem hohen Stadium. Normalerweise sitzt sie fast ausschließlich apathisch in ihrem Rollstuhl. Aber nicht, wenn Therapiehund Justus mit Trainerin Nicole Klingenberg zu Besuch ist. Dann blüht die Bergkamenerin auf.

Ihr Kopf ruckt, wendet sich in die Richtung von Justus. Der Podengo Português fiept zutraulich. Unbeholfen, etwas tapsig streckt die alte Frau ihre Hand aus und der Hund nimmt mit der Zunge das Leckerli auf. Die Gesichtszüge der demenziell Erkrankten entspannen sich, werden weich, der Mund verzieht sich zu einem Lächeln. Erika M. hatte früher selbst einen Hund, ihre Krankheit lässt sie das nur meistens vergessen.

Reflexe testen und Erinnerungen wecken, das sind die Ziele der Hundetherapie. Seit knapp zwei Monaten zählt diese zum Programm des Seniorenheims an der Marie-Juchacz-Straße 1.

Tiertherapeutin Nicole Klingenberg besucht jede Woche mit ihrem Justus die Einrichtung. Insgesamt zehn Demenzkranke betreut sie, fünf pro Gruppe. Die Obergrenze, „denn für den Hund ist das auch anstrengend“, weiß die gelernte Erzieherin. Seit drei Jahren arbeitet die 32-Jährige nun als Tiertherapeutin. Eine Tätigkeit, die aus der Not entstanden sei: „Ich musste Justus mit zur Arbeit in den Kindergarten nehmen.“ Da habe sie gemerkt, dass der einstige Straßenhund aus Spanien das richtige Wesen habe, um mit Menschen arbeiten zu können. Dann habe es aber noch ein Jahr gedauert, bis sie eine passende Ausbildungsstelle gefunden habe. „Tiertherapie ist nicht staatlich anerkannt und es gibt viele schwarze Schafe“, weiß Klingenberg.

In Rheine hat sich die Bergkamenerin zwei Jahre lang ausbilden lassen. Zuerst beschränkte sich ihre und Justus‘ Arbeit auf den Kindergarten. Dann aber hat sie eine Fortbildung im Bereich Demenz und Parkinson absolviert. „Die Hundetherapie ist eine Möglichkeit, die Demenzerkrankten wieder wach zu bekommen“, weiß Klingenberg. Die taktile Wahrnehmung werde geschult. Die Therapeutin arbeitet viel mit Berührungen: die Senioren geben Justus ein Leckerli aus der Hand, sie werfen einen Dummy und lassen den Hund apportieren. Außerdem greifen die Senioren in den Beutel mit Hundefutter, sollen die Form eines Leckerli bestimmen. Und zum krönenden Abschluss der Stunde dürfen sie Justus auf ihrem Schoß streicheln.

Ein kurzes Kommando und Justus springt sanft auf den Schoß von Erika M. Klingenberg führt die Hand der Seniorenheimbewohnerin an Justus‘ Rücken. „Fühlen Sie das?“, fragt sie die im Rollstuhl sitzende Frau. „Mmh“, stimmt diese zu. „Fühlt sich das gut an?“ „Mmh.“

„Es ist klasse, dass es jetzt zur Zusammenarbeit gekommen ist“, freut sich Heimleiter Ludger Moor. Er habe schon eine ganze Weile nach einem Tiertherapeuten gesucht. Mit der Genehmigung vom Kreis Unna, dass auch die medizinischen Voraussetzungen stimmen, konnte die Arbeit beginnen. „Wir würden die Therapie gerne ausdehnen, damit auch bettlägerige Bewohner in den Genuss kommen.“

Viel Arbeit für Justus. Deswegen „ist jetzt ein zweiter Hund in Planung“, verrät Nicole Klingenberg. Drei Jahre dauere es, bis ein Nachfolger einsatzbereit sei. „Dann kann Justus mit acht oder neun Jahren wohlverdient in Rente gehen.“