Unna. .

Zum 55. und letzten Mal zieht Unnas Ober-Jeck Helmut Scherer heute mit seinem Ein-Mann-Karnevalszug durch die Innenstadt. Mehr als ein halbes Jahrhundert war der 77-Jährige treibende Kraft des Unnaer Karnevals. An die Zeit vor Scherer und an die Anfänge, als die Unnaer seine jecke Aktion noch argwöhnisch betrachteten, kann man sich heute kaum noch erinnern.

Wie alles begann, weiß Helmut Scherer noch gut: „1956, als ich 22 Jahre alt war, zog ich von Paderborn nach Unna. Ich wollte hier eine Stelle als Krankenpfleger antreten.“ Er erzählt: „Das war der 10. November, Martinstag. Auf der Straße sah ich den Zug vorbeiziehen. Richtig schön mit Laternen und Musik. Da habe ich gedacht: Kann man in Unna nicht auch einen kleinen Karnevalsumzug machen?“

Lust am Karneval hatte Helmut Scherer schon, als er noch in Kinderschuhen steckte: „Als Schüler im Klosterinternat haben die Nonnen mit uns Kindern ausgelassen Karneval gefeiert. Wochen vorher haben wir schon mit den Vorbereitungen angefangen.“ Besonders fasziniert war der 7-jährige Helmut vom Karnevalszug: „Ich konnte noch so müde sein. Wenn der Zoch kütt und die Musik anfing, war ich plötzlich hellwach.“

Seine Idee, einen Karnevalszug in Unna zu veranstalten, war also am Martinstag 1956 geboren. „Ich bin direkt am nächsten Tag los, es war ja der 11.11., hab mir ein Kleid angezogen und bin mit einem Puppenwagen zum Rathaus gezogen“, erinnert sich der 77-Jährige. Weil da „nix los“ war, trottete er mit seinem Wagen „wieder nach Hause“.

An den kalten Wind, der ihm anfangs von Seiten der Unnaer Bürger entgegen blies, kann sich Helmut Scherer gut erinnern: „Die Leute haben mich richtig beschimpft. Unna sei protestantisch und nicht katholisch, ich solle doch nach Köln gehen, fuhren sie mich an.“ Indirekt habe man ihm auch Steine in den Weg gelegt, sagt Scherer: „Da wurde eine Bilderausstellung in der Bürgerhalle des Rathauses veranstaltet, so dass ich da nicht rein konnte.“

Während Helmut Scherer seinen Karnevalsumzug in Unna traditionell an Weiberfastnacht veranstaltet hat, ist er am Rosenmontag immer in einer anderen Stadt beim Zug mitgegangen. „Das erste Mal war 1957 in Bergkamen. Das war echt ein Reinfall: Es waren wenig Teilnehmer da, es hat genieselt und dann musste ich abends auch noch zu Fuß nach Hause laufen. Das hat vier Stunden gedauert.“

Die Akzeptanz und das Interesse an seinem Karnevalsumzug steigerte sich erst, „als die Medien Notiz nahmen“, glaubt Helmut Scherer. „Danach ging es rapide nach oben.“ Dank seiner Hartnäckigkeit hat er den Karneval in Unna doch etabliert. „Die Leute, die mir früher doof gezeigt haben, trinken heute ein Schnäpschen mit mir.“ Wenn Helmut Scherer am heutigen Weiberfastnachtstag zum letzten Mal seinen Zug anführt, jubeln sie am Straßenrand.