Der Rettungswagen hält vor dem Krankenhaus, eilig schieben die Sanitäter die Trage in das Gebäude. Auf ihr liegt Marco, bewusstlos. Auf seinem T-Shirt klebt Erbrochenes. Doch der 15-Jährige hatte keinen Unfall und er leidet auch nicht an einer Krankheit. Marco hat eine Alkoholvergiftung. Er ist so besoffen, dass er eine Nacht im Krankenhaus verbringen muss.

Der Rettungswagen hält vor dem Krankenhaus, eilig schieben die Sanitäter die Trage in das Gebäude. Auf ihr liegt Marco, bewusstlos. Auf seinem T-Shirt klebt Erbrochenes. Doch der 15-Jährige hatte keinen Unfall und er leidet auch nicht an einer Krankheit. Marco hat eine Alkoholvergiftung. Er ist so besoffen, dass er eine Nacht im Krankenhaus verbringen muss.

Über 40 Teenager wurden im vergangenen Jahr mit einer Alkoholvergiftung in ein Unnaer Krankenhaus eingeliefert, die jüngsten von ihnen waren gerade 14. Und dabei sind sie nur die Spitze des Eisbergs, denn eine Umfrage des Kinder- und Jugendbüros ergab, dass 43 Prozent der 11- bis 16-Jährigen in Unna Alkohol trinken. Viele geben sich regelmäßig am Wochenende die Kante. Auf dem Neumarkt, im Bornekamp, in Königsborn oder in der Neuen Mitte.

„Seit zwei Jahren treffe ich mich immer freitags und samstags mit Freunden am Königsborner Bahnhof“, erzählt der 15-jährige Stephan. „Da chillen wir dann, rauchen und trinken.“ Im Mittelpunkt steht der Alkohol. „Wenn wir so zehn Leute sind, holen wir uns zwei oder drei Flaschen Wodka und mischen die mit Eistee.“ Warum er trinkt? Stephan überlegt kurz. „Irgendwie habe ich ein gutes Gefühl, wenn ich besoffen bin. Man ist einfach besser drauf.“ Darüber, dass er geradewegs auf eine Abhängigkeit zusteuert, macht sich der 15-Jährige keine Sorgen. Viel mehr denken er und seine Kumpels darüber nach, wie sie an Hochprozentiges kommen. Doch ein großes Problem sei das meist nicht: „Einer von uns ist 18 und darf ja Alkohol kaufen. Und wenn er mal nicht da ist, geht ein anderer Freund von uns los. Der hat richtigen Bartwuchs. Der kriegt im Supermarkt alles.“

Obwohl sich viele Geschäfte, Tankstellen und Kioske inzwischen einen Ausweis zeigen lassen, gibt es immer noch Läden, die es mit den Vorschriften nicht so genau nehmen. Das kann Kevin (15) nur bestätigen: „Hin und wieder wird kontrolliert, aber das ist eher selten. Oft fragt die Verkäuferin: ‘Seid ihr denn auch alle 18?’ Wir sagen ja – und das reicht.“ Auch er trinkt regelmäßig: „In der Woche mal ein Bier, wenn ich mit einem Freund Playstation zocke. Am Wochenende dann mehr.“

Ein Bekannter von ihm habe reiche Eltern, sagt Kevin, „der kriegt auch mal einfach so 100 oder 200 Euro geschenkt.“ Dieses Geld wird meist für Bier oder Mixgetränke ausgegeben. Manchmal holen sich die Jungs aber auch Härteres. „Einmal musste ein Krankenwagen kommen, weil einer total breit war. Der hatte Wodka und Jim Beam getrunken.“ Das könne ihm aber nicht passieren, behauptet der 15-Jährige: „Ich weiß, wo meine Grenzen sind.“

Künftig dürfte es ihm allerdings nicht mehr so leicht fallen, sich Wochenende für Wochenende mit alkoholischen Getränken einzudecken. Als eine der ersten Städte in Nordrhein-Westfalen schickt Unna demnächst Jugendliche los, die in verschiedenen Geschäften Alkohol kaufen sollen. Gelingt das den Minderjährigen, müssen die Ladeninhaber mit empfindlichen Strafen rechnen.

Vermutlich werden viele Jugendliche trotzdem weiter trinken, denn sie besorgen sich Bier, Sekt oder Schnaps einfach zu Hause. Bei 58 Prozent der trinkenden Kids wissen deren Eltern sogar vom Alkoholkonsum ihrer Kinder. „Mein Vater meint immer, ich soll es nicht übertreiben“, sagt die 16-jährige Annika, „der vertraut mir.“ Meistens halte sie sich auch daran – aber eben nicht immer: „Auf einer Geburtstagsfeier war ich auch schon mal so richtig voll.“

Um möglichst schnell möglichst besoffen zu werden, erfreuen sich Trinkspiele großer Beliebtheit. Bei Flunkyball beispielsweise versuchen zwei Mannschaften, eine leere Flasche mit einem Ball umzuwerfen. Wem das gelingt, der darf so lange Bier trinken, bis der Gegner die Flasche wieder aufgestellt hat. Wer am schnellsten alle Flaschen leer hat, gewinnt. Klar, dass so was oft mit einem Vollrausch endet.

Und trotzdem: Die meisten Unnaer Teenager trinken selten oder gar keinen Alkohol. „Ich kann auch ohne Spaß haben“, findet Ebru Asyali. Was für ein Gefühl es ist, einen Rausch zu haben, interessiert die 17-Jährige nicht: „Das ist doch nur peinlich – das habe ich ja schon bei anderen Betrunkenen gesehen.“ Der 16-jährige Christian Junk war ebenfalls noch nie besoffen: „Ab und zu trinke ich mal ein Mischbier, aber das war’s dann. Ich hab schon oft genug Bekannte gesehen, die betrunken waren – das muss ich nicht haben. Jedem das Seine, aber ich find’s uncool.“