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Gerade einmal 2,4 Prozent aller Erzieher in deutschen Kindergärten sind männlich. Ein Zustand, den Familienministerin Kristina Schröder (CDU) ändern will, denn Fachleute sind sich einig, dass Kinder männliche und weibliche Bezugspersonen gleichermaßen brauchen.
Sie strebt einen Männeranteil von 20 Prozent an. Dieses Ziel halten viele Einrichtungen für nicht erreichbar. Nicht so die AWO Kindertagesstätte Wundertüte. Neben den neun weiblichen arbeiten hier bereits seit mehreren Jahren auch zwei männliche Erzieher rund um die Uhr mit den Kindern. Zusätzlich bekommen sie für ein Jahr Unterstützung durch einen männlichen Praktikanten. Das bedeutet im fest angestellten Bereich einen Männeranteil von 18 Prozent. Bei den Praktikanten ist das Verhältnis sogar eins zu eins.
Was aber treibt einen jungen Mann in einen Beruf, der noch immer nicht dem aktuellen „Männlichkeitsbild“ entspricht? Ein Schulpraktikum hat das Interesse von Mathias Rekowski an diesem Beruf geweckt. „Das war schön und das wollte ich als Beruf weiter machen“, sagte er. 2001, nach seinem Ausbildungsende erhielt er eine Stelle in einem Jugendzentrum. „Es ist aber selten, dass man in diesem Beruf sofort einen festen Vertrag bekommt“, bedauert er.
Schwieriger Weg zum Traumberuf
„Daher musste ich das Jugendzentrum nach einem Jahr wieder verlassen. 2006 fand ich die Stelle hier in der Wundertüte und bin froh, dass ich jetzt hier eine Vollzeitstelle habe.“ Nach wie vor könnte er sich aber auch vorstellen, irgendwann wieder im Jugendbereich zu arbeiten. „Aber eigentlich bin ich im Moment sehr zufrieden mit der Situation.“ Vor allem gefällt es ihm an seinem Beruf jeden Tag die Entwicklungsfortschritte zu sehen, die seine Schützlinge, nicht zuletzt durch seine Anleitung, machen.
Der Weg, den Olaf Wilbers zu seinem Traumberuf geführt hat, war deutlich schwieriger. Sein Weg führte über eine Lehre zum Radio- und Fernsehtechniker, den anschließenden Zivildienstes in einer Schule für geistig behinderte Kinder, der Anstellung in einer Werkstatt für geistig Behinderte, der Ausbildung zum Kinderpfleger schließlich zu seinem Ausbildungsabschluss als Erzieher. Seit 2005 unterstützt er das Team der Wundertüte.
Die Kinder reagieren anders
„Ich bin hier sehr zufrieden und fühle mich auch wohl“, erklärt er. Gemeinsam mit den Kindern macht er Dinge, die die weiblichen Erzieher nicht machten. „Auf Grund meiner ersten Ausbildung habe ich eine Elektro-AG gegründet. Da mache ich mit den Kindern am Nachmittag einfache Schaltungen und spreche mit ihnen auch über die Gefahren von Strom. Außerdem bietet er eine Kung-Fu-AG an. „Mit diesem Sport lernen die Kinder Disziplin, Körperbeherrschung, Konzentration und Koordination – außerdem macht es ihnen Spaß.“
Beide Erzieher sind sich einig. „Die Kinder reagieren auf uns Männer anders, als auf die weiblichen Kolleginnen und wir gehen auch anders mit ihnen um. Wir toben mehr und machen auch mehr Quatsch mit ihnen. Vielleicht basteln wir etwas weniger, aber können tun wir das auch.“ Ulrike Dahlhaus, eine der langjährigen Erzieherinnen im der Tagesstätte berichtet, dass die Eltern sehr positive Reaktionen auf männliche Erzieher zeigen. „Vor allem viele Alleinerziehende freuen sich über die männliche Bezugsperson für ihr Kind“, weiß sie.
Aufgaben auch am Wickeltisch
Die Aufgabenverteilung im Kindergarten ist für die Männer und Frauen identisch. Dabei müssen die Männer selbstverständlich auch einmal an den Wickeltisch. „Natürlich sind wir bei körperlich schweren Sachen froh, wenn die Männer helfen können“, erzählt Ulrike Dahlhaus und Olaf Wilbers meint dazu: „Dann arbeiten wir immer in der Abteilung ‚Kannst du mal…’.“
Neben der rein kräftemäßigen Unterstützung sehen die weiblichen Erzieher die Zusammenarbeit mit den männlichen Kollegen als durchaus positiv an. „Da kann man schon mal fragen, wie die etwas aus dem männlichen Aspekt raus sehen. Das gibt sehr konstruktive Diskussionen“, erzählt Ulrike Dahlhaus.
So viel Freude beiden Männern die Arbeit auch macht; problematisch ist allerdings der finanzielle Aspekt. Mathias Rekowksi meint dazu: „Als Single kommt man aus. Aber mit einer Familie als Alleinverdiener, da wird es schon eng.“ Eine Aussage, die Ulrike Dahlhaus nur bestätigen kann. „Die finanzielle Schere ist, im Vergleich zu dem, was Grundschullehrer verdienen, nach wie vor viel zu groß.
Viel Selbstbewusstsein nötig
Eine weitere Empfehlung, die sie Berufseinsteigern geben, lautet: „Männer müssen für diesen Beruf sehr selbstbewusst sein, denn er entspricht nach wie vor nicht dem Männlichkeitsbild.“ Bei Olaf Wilbers hat sich sogar der gesamte Freundeskreis verändert, da er keine Lust mehr hatte, sich ständig sagen zu lassen, er würde ja doch nur den ganzen Tag spielen. Etwas positivere Erfahrungen machte Mathias Rekowksi, dem befreundete junge Eltern auch schon mal Erziehungsfragen stellen.
All diese Vor- und Nachteile probiert Jojo Liebelt gerade selber aus. Er ist auf dem Weg zum Fachabitur und absolviert gerade sein einjähriges Praktikum. „Ich habe noch keine negativen Erfahrungen im Bekanntenkreis gemacht“, sagte er. „Das könnte ich auch nicht verstehen, denn das ist doch ein Beruf, von dem jeder betroffen ist, der Kinder hat.“ Einen Rat seiner Kollegen will er auf jeden Fall annehmen. Nach dem Fachabitur will er schulisch weitermachen und erst einmal, eventuell in Richtung Pädagogik, studieren. Auf jeden Fall sieht er seine Zukunft in einem Beruf mit Kindern.