Werdohl. .
Als immer mehr Gäste in die kleine Teestube drängen, wird der Besuch des FDP-Bundestagsabgeordneten Johannes Vogel in der Moschee an der Freiheitstraße kurzerhand in einen größeren Raum verlegt. Die große Resonanz auf die „außergewöhnliche kulturelle Begegnung“, wie es im Vorfeld hieß, hat am Dienstagabend auch die örtlichen Liberalen überrascht.
Jürgen Neumann, Vorsitzender des Ortsverbandes, und Alexander Lilienbeck von den Jungen Liberalen, die den Termin in dem islamischen Gotteshaus organisiert hatten, ist die Freude anzusehen. Auch die Gastgeber freuen sich. So oft bekomme man von Christen keinen Besuch.
Man will offenbar mehr erfahren über den Islam
41 Interessierte, nicht nur Parteigänger, lassen sich von Hoca Ahmet Kilic und Ali Akdeniz, Vorsitzender des Türkischen Elternvereins, der wieder einmal als Dolmetscher fungiert, die Moschee zeigen. Die über und über mit blumengemusterten Kacheln dekorierten Betsäle für Männer und Frauen beeindrucken – spannend wird danach die Debatte bei Tee und Gebäck.
Das Sarrazin-Buch klingt kurz an. „Die Debatte ist oft unsachlich geführt worden“, sagt Alexander Lilienbeck, man habe den Eindruck, „Leute reden über Dinge, von denen sie keine Ahnung haben.“ Daher ist man heute hier: Man will von den Türken, von den Muslimen mehr erfahren. Lilienbeck steigt mit einem heiklen Thema ein: Hat die Ditib-Gemeinde bewusst auf ein Minarett verzichtet beim Umbau des alten Verlagsgebäudes zu einer Moschee?
Das Minarett sei nur architektonischer Zierrat und sage über den Islam selbst gar nichts aus, erklärt Ali Akdeniz. Den Turm so begreiflich zu machen, sei aber nicht einfach. Gebaut hätte man ein Minarett gern. Akdeniz: „Wir sind dem aus dem Weg gegangen.“
FDP-Ratsherr Friedhelm Hermes lobt: „Sie setzen nicht auf bewusste Konfrontation.“ Akdeniz setzt auf Zeit: Bauen könne man ein Minarett später immer noch. Da rührt sich kein Widerstand unter den Gästen. Im Gegenteil. Martina Kunze, Lehrerin an der Erich Kästner-Schule, hat eine Bitte: In der Moschee, dem offenen Haus, wie die Gemeinde stets betont, möchte die Hauptschule einen Raum für einen Elternabend nutzen. „Sie wissen ja, das wir unsere Eltern schlecht in unsere Schule bekommen“, sagt Kunze. Türkische Schüler sind am Riesei in der Mehrheit. „Sie sind willkommen“, lautet die Antwort.
Die Offenheit regt zu offensiven Fragen an. Kerstin Sensenschmidt, Gemeindepädagogin in der Friedenskirche: „Wie leben Sie in der Gemeinde?“ – Einen Jugendraum gebe es, spielen und fernsehen erwünscht. „Es ist alles eingerichtet, aber leider klappt es nicht“, bedauert Akdeniz –die Jugendlichen ziehe es eher ins städtische Jugend- und Bürgerzentrum.
Gülcan Kiraz, Integrationsfachkraft an der Erich Kästner-Schule, hakt da ein. „Eigentlich haben wir so viele Parallelen, die Werteerziehung ist dieselbe!“ Über Koranschulen lese man oft, in der man türkische Kinder streng religiös erziehe. Für die Ditib-Gemeinde schließt sie das aus. „So ist es Gott sei Dank nicht!“ Lesen und Bildung räume der Koran einen hohen Stellenwert ein. Kiraz: „Solche Dinge werden leider nicht an die Öffentlichkeit getragen.“ Ein Stichwort für Johannes Vogel, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP im Bundestag: „Bei Bildung geben wir bei Weitem noch nicht genug Geld aus!“
Als am Ende Martina Kunze auf den – in Deutsch gehaltenen – islamischen Religionsunterricht und das gemeinsame Feiern islamischer und christlicher Feste an ihrer Schule zu sprechen kommt und Werdohl „als Modell wie man es machen kann, ohne dass man Identitäten preisgibt“ bezeichnet, kommt ein klein wenig Resignation auf.
Das Werdohler Integrationsprojekt sei überall bekannt. „Aber der Schwung bricht langsam wieder weg“, sagt Friedhelm Hermes, „doch die Idee der Integration darf nicht enden!“ Gülcan Kiraz, früher selbst in Stadtteilrunden aktiv, bedauert, dass das Ehrenamt Not leide. „Wir erreichen niemand, der es mit Leib und Seele machen will“, sagt sie. Ali Akdeniz verspricht: „Wir geben nicht auf!“