Unna. .

Immer mehr Unnaer suchen bei Depressionen den Austausch in einer Selbsthilfegruppe. So wie Helga Schmidt (Name geändert). Im vergangenen Sommer war sie während einer zehnwöchigen Reha ganztägig betreut worden. „Danach fehlte mir plötzlich der Austausch mit anderen Betroffenen“, sagt sie.

Deshalb erkundigte sie sich beim Kreis Unna nach einer Selbsthilfegruppe für Menschen mit Depressionen. Weil die Gruppe „absolut überfüllt“ war, regte sie jetzt die Gründung einer zweiten Selbsthilfegruppe in Unna an.

Immer noch ein Tabu

In der Gesellschaft sind Depressionen noch immer ein Tabu-Thema. „Ich wollte mir die Krankheit erst einmal gar nicht eingestehen“, sagt Helga Schmidt und fügt hinzu: „Ich war es gewohnt, in allen Lebenslagen zu funktionieren.“ In der Öffentlichkeit werde belächelt, wer sich zu der Krankheit bekenne, sagt sie: „Für andere gilt man als bekloppt. Als 2009 die Medien groß über den Selbstmord von Fußballtorwart Robert Enke berichteten, dachte ich, dass die Stigmatisierung depressiver Menschen jetzt aufhört“, erinnert sich Helga Schmidt. „Aber nach zwei Wochen sprach keiner mehr über das Thema.“

Verständnis findet sie in der neu gegründeten Selbsthilfegruppe. „Es hilft schon zu hören, wie die Anderen mit ihrer Krankheit umgehen. So kann jeder von dem gegenseitigen Austausch profitieren.“

Depressionen sind weltweit die häufigsten Formen psychischer Erkrankungen. Auftreten können Depressionen in allen Altersgruppen – die meisten erkranken mit Anfang 30. Auslöser sind einerseits genetische und neurobiologische Merkmale eines Menschen. Andererseits können auch seelische Belastungen eine Depression verursachen. „Das können plötzliche Arbeitslosigkeit, der Verlust des Partners oder traumatische Erlebnisse aus der Kindheit sein“, erklärt Helga Schmidt.

Die Folgen einer Depression sind gravierend: Abwesenheit am Arbeitsplatz, Frühverrentung oder Selbstmord. Depressionen und Angststörungen gehören zu den häufigsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeit. Eine besonders gefürchtete Folge ist der Selbstmord: Jeder siebte schwer depressive Patient stirbt durch Suizid. Davon sind Männer häufiger betroffen als Frauen – drei Viertel aller Selbstmorde werden von Männern begangen.

Lange Zeit unterschätzt

Depressionen wurden lange Zeit unterschätzt. Häufig wurde die Krankheit nicht richtig erkannt. Außerdem lagen lange keine verlässlichen Daten vor. Laut der Studie „Gesundheit in Deutschland“, die im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums vom Robert-Koch-Institut erstellt wurde, leidet innerhalb eines Jahres etwa jeder Zehnte unter einer Depression. Wie Karl-Josef Steden, Sprecher der AOK Westfalen-Lippe, festgestellt hat, haben sich psychische Erkrankungen in den vergangenen 15 Jahren nahezu verdoppelt.

Diesen Trend bestätigt die Weltgesundheitsorganisation. Sie schätzt, dass im Jahr 2020 die Lebensqualität durch Depressionen beinahe so stark beeinträchtigt werde wie durch Herzerkrankungen.