Hervest. .

In Klasse 4b herrscht konzentrierte Stille. „Jetzt ist Lesezeit“, sagt Lehrerin Melanie Frinken. Zwei Finger schnellen hoch: „Darf ich zu Giacomo?“ „Dann wechselt Euch ab“, sagt die Lehrerin. Nico ist zuerst dran. Er nimmt ein Buch und legt sich vorn am Pult auf die Decke neben Giacomo – den Schulhund der Albert-Schweitzer-Schule.

Rektorin Burgi Beste lacht. „Als die Kollegin fragte, ob wir Hupäsch einführen, war ich erst mal ratlos.“ Hupäsch steht für Hunde-unterstützte Pädagogik an Schulen. Beste las sich ins Thema ein und war sehr angetan von der Idee.

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Von DerWesten

Melanie Frinken treibt der Gedanke schon lange um. Sie wollte für ihre Familie einen Hund – und zugleich einen für die Schule. Seit den Herbstferien gehört Giacomo nun zum Kollegium der Albert-Schweitzer-Schule. Zwei- bis dreimal pro Woche darf er mit in die Klasse. Das Tier wirkt im Unterricht vielfach – nicht nur als Gegenstand in Sachkunde („der Schwanz heißt Rute“).

Es stärkt das Selbstbewusstsein der Kinder, wenn Giacomo auf Handzeichen pariert. Die Grundschüler übernehmen gemeinsam Verantwortung, sorgen für frisches Wasser und dass nichts ‘rumliegt, was er fressen könnte. „Dass muss ich auch nicht extra sagen“, lacht die Lehrerin. Die Kinder nehmen Rücksicht und sind leiser, denn Hunde hören zwanzig mal besser und haben empfindliche Ohren. Die Kommunikationsfähigkeit mit und ohne Worte wird ausgebaut. Selbst die Lesenoten werden besser: „Kinder die stottern, können einem Hund flüssig vorlesen“, sagt Melanie Frinken. „Mit dem Hund lernen die Kinder etwas, ohne das zu merken“, so das Fazit von Rektorin Burgi Beste.

Mutprobe: Zahraa lässt sich Leckerchen vom Bauch futtern, Lehrerin Melanie Frinken schaut zu.
Mutprobe: Zahraa lässt sich Leckerchen vom Bauch futtern, Lehrerin Melanie Frinken schaut zu. © WAZ FotoPool

Auch der Lehrerin hilft Giacomo. „Er hat seismographische Fähigkeiten und erkennt genau, welches Kind ihn heute braucht“, so Frinken. Als ein Junge traurig war, weil seine Katze gestorben ist, wich Giacomo den ganzen Tag nicht von seiner Seite.

Auf den neuen Klassenkameraden wurden die Kinder ausführlich vorbereitet. An der Wand hängen noch die Arbeitsbögen. „Genau wie ich muss auch ein Hund einiges lernen“, steht auf einem Blatt. Jedes Kind hat einen „Hundeführerschein“ gemacht. Für den Umgang mit dem Tier gibt es feste Regeln, ebenso für die damit verbundene Hygiene (vor dem Frühstück Hände waschen). Untersuchung beim Tierarzt alle sechs Monate und regelmäßige Impfungen sind selbstverständlich.

Es gab ein paar Kinder in der Klasse, die hatten anfangs Angst vor Hunden. „Inzwischen trauen sich alle, ihn aus der Hand zu füttern“, erzählt die Lehrerin.

Nicht jeder Vierbeiner kann Schulhund werden. Er soll soll aggressionsfrei sein, zurückhaltend und bellarm. Und freundlich hell im Fell wie der „Golden Doodle“ (Mischung aus Golden Retriever und Pudel), der nun als Hilfslehrer in Klasse 4b wirkt. Giacomo war ein Glücksgriff, sagt Melanie Frinken. Er stammt aus einer Zucht, die schon viele Therapie-Hunde hervorgebracht hat.

Ganz wichtig: Giacomo darf sich auch zurück ziehen, wenn es ihm zu viel wird. Die Kinder respektieren das schon jetzt. Dennoch soll er noch eine Box bekommen, in die er sich auch mal verkrümeln kann.