Unna. .
Durch langjährigen Alkoholismus verlor Ulrich Rautenberg mit 40 erst seine Frau, dann seinen Job und zuletzt auch sein Haus. Zwei Jahre war der Unnaer wohnungslos, bis er den Absprung schaffte und den Weg zurück ins Leben fand. Seither setzt er sich als Ehrenamtlicher für die Sucht- und Wohnungslosenhilfe ein – mittlerweile seit mehr als 25 Jahren.
„Schon mit 15 habe ich sehr regelmäßig und viel getrunken“, berichtet der heute 68-Jährige. Mit den Jahren habe sich der Alkoholkonsum immer weiter ausgedehnt. Von Sucht wollte er dennoch lange nichts wissen, auch das Umfeld hat seine Eskapaden zunächst gedeckt. „Meine Frau hat mich krank gemeldet, wenn ich mal wieder zu viel intus hatte.“ Damals sei das Verständnis von Suchtkrankheit generell noch ein anders gewesen, auch Ärzte hätten meist gesagt, er solle einfach weniger trinken.
Nach und nach alles verloren
Der totale Absturz kam für Ulrich Rautenberg 1982. „Ich brauchte jeden Tag eine große Menge, um einigermaßen zu funktionieren.“ Die Schwierigkeiten im Alltag wurden immer größer, auch seine Frau wollte sein Verhalten irgendwann nicht mehr mit ansehen und trennte sich von ihm. Kurz darauf verlor er seinen Job als Lagerarbeiter und konnte die Raten für das ehemals gemeinsame Haus nicht mehr bezahlen. Die Folge: Wohnungslosigkeit. „Ich bin erstmal bei meiner Schwester untergekommen, habe zwischendurch auch woanders zur Untermiete gewohnt, aber einfach weitergemacht wie vorher“, erzählt der Unnaer.
Zwei ganze Jahre hat es gedauert, bis Ulrich Rautenberg den Absprung schaffte – vor allem durch den Kontakt zur freien evangelischen Gemeinde in Unna. Dort gab es einmal im Monat ein Treffen für Wohnungslose. „Dabei habe ich zum Glauben gefunden und damals, 1984, gesagt, ich trinke nie wieder.“ Mit Unterstützung der Kirche fand er bald eine Wohnung und schloss eine Umschulung zum Dachdecker ab. „Damals habe ich mir gesagt: Gehe hin und tue das Gleiche.“
Selbst Warnung und Vorbild sein
Seither setzt sich Ulrich Rautenberg jede freie Minute für die Unterstützung von Suchtkranken und Wohnungslosen ein: Als Mitbegründer der Initiative „Gemeinsam Leben“ am Beethovenring, die jungen Wohnungslosen zur Rückkehr ins gesellschaftliche Leben verhilft, als Repräsentant und in Selbsthilfegruppen des Blauen Kreuzes sowie als Sprecher der psychosozialen Arbeitsgemeinschaft Sucht und der Suchtselbsthilfe im Kreis Unna. Mit seinem Ruhestand vor gut zehn Jahren kam das umfassende Engagement in der Tagesstätte für Wohnungslose der Caritas hinzu.
„Mit meiner eigenen Geschichte versuche ich Warnung und Vorbild zugleich zu sein“, sagt Ulrich Rautenberg. Nicht alle seien dafür empfänglich. Aber Gemeinsamkeiten in der Biografie seien manchmal Türöffner für tiefere Gespräche und Problemlösungen. „In der Selbsthilfegruppe beim Blauen Kreuz klappt das besser, als in der Tagesstätte“, gibt der Suchtkrankenhelfer zu. Den Wohnungslosen mit kleinen Arbeitsaufträgen wieder einen Tagesrhythmus und das Gefühl von sinnvoller Arbeit zu vermitteln. „Fünf Menschen haben wir darüber in den letzten Jahren wieder in Beschäftigung gebracht“, so Ulrich Rautenberg. Die Dankbarkeit der Menschen und das Gefühl, etwas Gutes zu tun, sei ihm Lohn genug, betont der Ehrenamtler immer wieder.
Die Caritas sah das anders und verlieh ihm im Januar das Silberne Ehrenzeichen des Verbandes. Für Ulrich Rautenberg jedoch auch mit 68 Jahren noch lange kein Grund, sich auf dem Geleisteten auszuruhen. Er will weiterhin Gutes tun und dafür kämpfen, dass in der Öffentlichkeit ein besseres Bild von Suchtkranken und Suchthilfe entsteht.