Dorsten. .

Ein wenig verloren wirken die vier Frauen und zwei Männer, die mit ihren Fackeln im Schneematsch stehen. Es ist später Nachmittag, bereits dunkel und in der Dorstener Altstadt sind nur noch wenige Menschen unterwegs an diesem Freitag – dem Tag der Menschenrechte.

„Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und die Sicherheit der Person“, sagt Dörthe Rengeling-Eschweiler. Das gleiche steht auf dem Pappschild auf ihrem Rücken. Sie ist Sprecherin der lokalen Amnesty International-Vereinigung.

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Die „Gruppe 1311“ – das waren mal dreißig Aktive, die sich Anfang der 80er für Grundrechte stark machten. In einer Zeit, in der politisches Engagement und Protestkultur das Leben vieler Bürger bestimmten. Davon scheint nicht mehr viel übrig geblieben. „Es ist doch ein allgemeiner Trend, dass selbst in Sportvereinen Mitgliederzahlen sinken und Engagement zurückgeht“, bedauern die sechs Gruppenmitglieder von „1311“.

Dabei ist das Thema Menschenrechte brandaktuell. In ein paar Stunden wird der Friedensnobelpreis an den chinesischen Schriftsteller und Regime-Kritiker Liu Xiaobo verliehen werden, der el Jahre Haft wegen Untergrabung der Staatsgewalt verbüßt. Xiaobo wird bei der Zeremonie nicht anwesend sein, genauso wenig wie seine Frau, die unter Hausarrest steht.

Deswegen haben die sechs Mahnwächter noch kurzfristig andere Schilder angefertigt. Der Fall Xiaobo erregt weltweit Aufsehen, doch viele Menschenrechtsverletzungen passieren im Stillen. „Dabei gehen die Täter oft verdeckter und feiner vor, als vor zwanzig oder dreißig Jahren“, erzählt Hans Bijmholt. „Internetsperren, psychische Folter oder Medikamente werden benutzt, um Dissidenten mundtot zu machen. Anstelle langer Haftstrafen sperrt man viele Menschenrechtler immer wieder für ein oder zwei Wochen ohne Begründung weg.“ Insgesamt haben Menschenrechtsverletzungen eher zugenommen, so die Amnesty-Gruppe.

Ein Grund mehr, warum sich viel mehr Menschen dem Thema widmen sollten. Immerhin beteiligen sich etwa siebzig Dorstener an der Aktion „Briefe gegen das Vergessen“. Sie unterschreiben einmal im Monat Freilassungsgesuche für politische Gefangene oder Menschen, die in Todeszellen auf ihre Hinrichtung warten.

Lehrerin Christa Bijmholt hält mit ihrer Klasse Briefkontakt zum Todeskandidaten Carl Blue. „Die Schüler schicken Briefe und Zeichnungen und haben den Erlös eines Schulfestes gespendet. Carl Blue malt selber Bilder, die er der Klasse zusendet.“ Gerade Kinder und Jugendliche lassen sich für die Arbeit von Amnesty International durchaus begeistern, „das haben wir auch bei einer Gesprächsrunde mit Schülern des Petrinums vor einem Jahr festgestellt“.

In den Oberstufen der Schulen finden sich aber nur noch vereinzelt junge Menschen, die sich langfristig für die gute Sache einsetzen. Und das, obwohl Amnesty International durchaus als moderne, weltweit vernetzte Organisation wahrgenommen wird. „Aber Greenpeace hat es einfacher, junge Mitglieder zu begeistern. Spektakuläre und manchmal illegale Aktionen verursachen einen anderen Nervenkitzel“, schmunzelt Bijmholt. So etwas gibt es nicht bei Amnesty. Ein weiteres Problem: „Sobald Jugendliche dann zum Studium wegziehen, sind sie für unsere Ortsgruppe verloren“, so Bijmholt. Amnesty-Gruppen in den Universitätsstädten haben dieses Problem nicht.