Unna. .

Seit dem Sommer nicht abreißende interne Querelen bei der Polizei Unna. Knöllchenquote und Rücktritt des Leiters der Polizeihauptwache, Rudolf Fröhlich. Zudem wirft entnervt der hiesige Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Klaus Püngel, das Handtuch. Ein Bild, das sicher keine Werbung für moderne Polizeiarbeit ist.

Wie die generell aussehen sollte, erfuhr unsere Zeitung im Gespräch mit Experten, die den Führungsnachwuchs auf der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster ausbilden: Dem Leitenden Polizeidirektor (LPD) Gerd Thielmann (Fachgebiet Polizeiliche Führungslehre) und Prof. Dr. Antonio Vera (Organisation und Personalmanagement in der Polizei).

Was macht modernen Führungsstil bei der Polizei aus; strikte Anweisungen des Vorgesetzten oder gemeinsame Absprache der Ziele?

Prof. Vera: „Die etwas militärische Organisation der Polizei hat man gezielt in den 1970er/80er Jahre durch Einführung des Kooperativen Führungssystems verändert.“

LPD Thielmann: „ . . .das auch für Führungskräfte verbindlich vorgeschrieben ist.“

Was beinhaltet dieses System im Kern?

Prof. Vera: „Es funktioniert maßgeblich über das Thema Kommunikation und es ist wichtig, dass die Führungskraft das vorantreibt. Weitere Schlagworte sind Transparenz und Delegation. Also, dass die beabsichtigten Ziele den Mitarbeitern dargestellt und ihnen dabei Aufgaben übertragen werden. Und wenn Verantwortung weitergegeben wird, sollte die Führungskraft auch Vertrauen signalisieren, dass die delegierte Aufgabe ordentlich erledigt wird.“

Das klingt trotz klarer Dienstgradstruktur sehr stark nach Demokratie?

Prof. Vera: „Vertrauen macht Kontrolle natürlich nicht überflüssig.“

LPD Thielmann: „Hierarchie und Demokratie müssen sich nicht widersprechen, wenn bei der Entscheidungsfindung die Mitarbeiter im möglichst großen Umfang beteiligt werden. Was natürlich nicht gilt, wenn sofort Entscheidungen der Führungskraft nötig sind, etwa bei einer Geiselnahme.“

Wobei trotz aller Führungstheorie der persönliche Stil des Vorgesetzten doch sicher das interne Klima maßgeblich mitbestimmt?

LPD Thielmann: „Natürlich, daher wird bei der Ausbildung auch darauf geachtet, dass die Führungskräfte hohe soziale Kompetenz haben.“

Prof. Vera: „Wobei es selbstverständlich Persönlichkeiten mit mehr oder weniger Charisma gibt – und natürlich auch bei der Polizei Fälle von Führungsschwäche auftreten.“

Wie sollten interne Vorgaben und Neuerungen dann eingeführt werden?

Prof. Vera: „Notwendige Veränderungen sollten sensibel vorbereitet werden. Durch Transparenz im Vorfeld und Einbeziehung (Befragung) der Mitarbeiter. Deren Sicht sollte dabei durchaus als Potenzial gesehen werden.“

LPD Thielmann: „Sicher oft ein schmaler Grad für die Führungskraft, da in den Arbeitszielen die Vorgaben des Innenministeriums ebenso zu be-rücksichtigen sind wie das La-gebild vor Ort und die individuellen Empfindungen der Bürger (z.B. Angsträume).“

Wie sehen Sie dabei das Thema „Knöllchenquote“?

LPD Thielmann: „Man muss bei den schriftlichen Verwarnungen Augenmaß beweisen, da wir gehalten sind sowohl im Sinne des Staates als auch des Bürgers zu entscheiden. Wenn ein Polizist aber Streife geht und dabei nach mehreren Stunden keinen Verstoß gesehen hat, entspricht das sicher nicht der Lebensrealität.“

Und wie reagieren, bei wachinternen Konflikten?

Prof. Vera: „Um Störungen innerhalb der Organisation mitzubekommen, sollte die Führungskraft über feine Antennen verfügen, das frühzeitig selbst zu bemerken. Zudem ist es wichtig, an den richtigen Stellen durch regelmäßige Gespräche, etwa mit Schicht- und Gruppenleitern, die interne Stimmung zu erfahren. Es reicht aber nicht aus, nur gut informiert zu sein, sondern dann auch richtig zu reagieren – und wo nötig, Konsequenzen zu ziehen.“

LPD Thielmann: „Interne Konflikte sollten schnell gelöst werden, damit sich die Polizisten nicht damit beschäftigen, sondern auf ihre eigentliche Aufgabe und Polizeiarbeit konzentrieren können.“

Gibt es dabei auch Hilfe für die Führungskräfte selbst?

LPD Thielmann: „Natürlich. Bei internen Problemen können externe Mentoren hinzugezogen werden, die im Konflikt vermitteln. Zudem werden laufend Fortbildungsseminare für Führungskräfte angeboten, die auch Konfliktbewältigung thematisieren.“