Dorsten / Essen. .

Das war ein ganz kurzer Prozess, kürzer geht kaum! Zum zweiten Mal stand ein Dorstener vor Gericht, weil er seine zur Tatzeit zwölf- bis dreizehnjährige Stieftochter sexuell missbraucht haben soll.

Im Februar 2006 bekam der jetzt 43-Jährige eine zweijährige Bewährungsstrafe. Später erhob die inzwischen 23-Jährige neue Vorwürfe, die am Donnerstag vor dem Essener Landgericht verhandelt werden sollten. Dazu kam es nicht wirklich: Zwar trug Staatsanwältin Kati Nothdurft die Anklage vor, aber dann schwiegen sowohl der Angeklagte, als auch das mutmaßliche Opfer. Da konnte die Kammer nur noch einen Freispruch verkünden.

Der 43-Jährige dreht den Kopf zur Seite, offenbar bemüht seiner früheren Stieftochter, die ihm im Saal als Nebenklägerin gegenüber sitzt, nicht in die Augen zu schauen. Die junge Frau weint immer wieder. Es geht ihr sichtlich schlecht.

Die gar nicht kurze Vorgeschichte: Der 43-Jährige war sieben Jahre lang bis 2000 mit der Mutter des Mädchens verheiratet. Gemeinsam lebte man in einer Wohnung in Dorsten. Dort soll es 1998 zu den sexuellen Übergriffen gekommen sein, die 2004 zur Anzeige kamen. Im Prozess 2006 gestand der Stiefvater einen Missbrauch und war bereit, Schmerzensgeld zu zahlen. Das verhalf ihm zur Bewährungsstrafe. Weitere Vorwürfe, die die Stieftochter später erhob und die jetzt Thema der Anklage waren, bestritt er bei der Polizei. Er behauptete, sie habe sich die Sachen ausgedacht, damit er härter bestraft würde.

Es sind schlimme acht Vorfälle, die die Stieftochter ihm elf Jahre später vorwirft. Einmal soll er ihr als Kind ein Messer vorgehalten haben, um ans Ziel zu kommen. Er soll sie bewusstlos geschlagen und ans Bett gefesselt oder ihr Gesicht ganz in die Nähe einer heißen Herdplatte gedrückt haben, um sie anschließend zum Sex zu zwingen. Außer zu dem Jahr kann die 23-Jährige die Taten zeitlich nicht zuordnen.

Zwei Gutachten gab die Kammer in Auftrag. Das erste folgte der jungen Frau. Das zweite, für die Kammer überzeugendere, kam zum gegenteiligen Ergebnis. Die Frau sei sehr traumatisiert, zitiert Richterin Luise Nünning daraus im Urteil, es sei nicht auszuschließen, dass die Erinnerung nach einem so langen Zeitraum zu unzuverlässig sei, um darauf ein Urteil zu begründen. „Wir wissen nicht, was wirklich geschah“, sagt die Richterin, aber soviel könne man sicher sagen, wendet sie sich an den Angeklagten: „Sie sind Teil des Traumas.“