Märkischer Kreis. .

Als sich die ersten Atom-Gegner aus dem Märkischen Kreis auf den Weg zu Demonstrationen machten, waren einige der Gorleben-Blockierer vom Wochenende noch nicht einmal auf der Welt.

Seit drei Jahrzehnten währt mittlerweile der Kampf, der eine Brücke schlägt von den ersten Gehversuchen der Grünen in Lüdenscheid bis zur „neuen Generation“ der Protestler, wie dem 23-Jährigen Robin Wegener aus Plettenberg.

Zwei Tage lang hat Robin in Gorleben ausgeharrt. Er wollte nicht nur demonstrieren, sondern auch blockieren. Und so saß er inmitten der Menschen, die versuchten, die Zufahrt zu versperren. Darauf vorbereitet hat sich Wegener, der der Grünen Jugend MK angehört und eine eigene „grüne“ Homepage samt Anbindung an Twitter und Youtube betreibt, wie auf ein Musikfestival: Schlafsack, Dosenessen, Isomatte. „Mein Essen habe ich aber gar nicht gebraucht“, berichtet Wegener. Die Versorgung an der Blockade durch die Bauern der Region sei „unfassbar gut“ gewesen. „Die haben Stroh aufgeschüttet, Notfalldecken verteilt und Essen direkt an der Strecke serviert. Wir hatten eine bessere Versorgung als die Polizei.“ Vier Beamte seien notwendig gewesen, um den 2,06 Meter großen Robin Wegener von der Strecke zu tragen. Gewehrt hat er sich nicht: „Der Protest um mich herum war friedlich.“

Eine strukturierte Blockade von der in den Anfängen der Anti-Atom-Bewegung nur geträumt werden konnte: „Die Fahrten zu den Demonstrationen oder Menschenketten waren damals nicht organisiert“, erinnert sich Hermann Morisse, Lüdenscheider Ratsmitglied. „Man machte sich einfach mit Freunden und Bekannten auf den Weg.“ Aktiv sein, sich einmischen – das waren die Ziele der jungen Anti-Atom-Bewegung. In vielen Städten vermengten sich damals „grüne Ideen“, Umweltschutz, mit den Anliegen der späteren Friedensbewegung. Dementsprechend gemischt war 1982 auch die Gründungsgruppe der Grünen in Lüdenscheid. „Ein bunter Haufen war das – Lehrer, Angestellte, Beamte, Studenten, da war aus jeder Bevölkerungsgruppe jemand dabei. Es gab manche Querelen, bis wir uns auf eine gemeinsame Politik verständigt hatten. Da gab es am Anfang ganz schöne Reibereien“, erinnert sich Hermann Morisse.

Doch nicht nur intern kämpften die Grünen mit Schwierigkeiten: „Im Rat waren wir 1984 nicht sehr willkommen.“ Das mag daran gelegen haben, dass die „Neuen“ ganz bewusst die Provokation suchten. So schenkten sie dem damaligen CDU-Vorsitzenden Dietrich zur ersten Ratssitzung Asche als symbolisches Geschenk und Ausdruck der Anti-Atom-Bewegung. Dietrich, damals im Aufsichtsrat der Elektromark (heute Mark E), habe das Geschenk kommentarlos angenommen. Allerdings wurde der Stand der Neupolitiker dadurch nicht einfacher. Sie kämpften um die Akzeptanz von Umweltthemen: „Mülltrennung war ja noch ein Fremdwort“, so Morisse. „Was haben wir damals diskutiert.“ Zu teuer, zu aufwendig, habe es damals geheißen.

Doch nicht nur inhaltlich wurde gestritten: „Bei der ersten Weihnachtsfeier des Rates saßen wir Grünen ganz allein am Tisch.“ Einschüchtern oder sich von den politischen Ideen und Zielen abbringen habe man sich dadurch nicht lassen: „Ganz im Gegenteil. Das hat uns nur gereizt.“

Heute, 30 Jahre, später lacht die rote Atom-Kraft-Nein-Danke-Sonne wieder von ihren gelben Fahnen. Morisse war dieses Mal im Wendland nicht dabei. „Aber so wie es aussieht, gibt es ja bald wieder die Möglichkeit.“

Und dieser Schulterschluss von jung und alt ist es auch, den Robin Wegener in Gorleben erlebt hat: „Vor Ort hatten wir viel Zeit, lange Gespräche zu führen.“ Dabei hat er zwei Formen des Protestes ausgemacht. „Zum einen sind da die Bauern, die keinen Atommüll vor ihrer Haustür haben wollen.“ Zum andere gebe es aber auch die „neuere Generation“, zu der sich Wegener selbst zählt: „Für uns ist Gorleben ein Symbol für Schwarz-Gelb.“ Der Protest und die Blockade vor Ort eine Möglichkeit, dem Unmut über die Regierung Ausdruck zu verleihen. „Natürlich sind wir auch gegen Gorleben“. Aber eben nicht mehr nur. Für die „neue Generation geht es um mehr: „Wo hört uns denn sonst einer zu und kommt, um mit uns zu reden?“, fragt Wegener. „Dort, auf der Straße, kann man seine Meinung sagen.“