Schwerte. .
Wie er sich dreht und windet. Prompt gräbt sich noch eine Furche in sein seeluftgegerbtes Großjungengesicht. „Ach, ich weiß nicht, was ich bin, auf jeden Fall ein total schlechter Techniker.“ Jörg Rost sollte nur auf die Frage antworten, ob er, der seit jetzt genau 20 Jahren als Profi sein Licht gegen die Kulturlosigkeit deutscher Innenstädte leuchten und Wirkliches unwirklich erscheinen lässt, ob er ein Künstler ist.
Dann lässt er die Klassifizierung doch zu - „ja, dann bin ich eben Künstler, weil ich immer auch eine Intention habe, eine Absicht, eine Botschaft, eine Vision“. Jörg Rost dekoriert nach eigenem Verständnis und dem immer positiven Echo auf seine Installationen zufolge nicht einfach bloß. Er hübscht nicht auf, er verwandelt, lässt im Sinne des Sprichwortes Vertrautes „in ganz neuem Licht erscheinen“.
Ende der 80er Jahre erfindet sich Jörg Rost völlig neu. Nach einer Bäckerlehre – damals gab es noch 15 backende Betriebe rechts und links der Ruhr und es wurden 17 Lehrlinge gleichzeitig fertig – lockte der Duft der großen weiten Welt. Man kann sich Jörg Rost leicht im Rollkragenpullover mit Wollmütze an der Reling in die Gischt spuckend vorstellen, er ist wirklich gelernter Matrose.
Immer noch stemmt er sich gegen den Wind, wenn er eine seiner Ideen durchsetzen muss, behält in schwerer See das Gleichgewicht, wenn tausend Fragen gleichzeitig auf ihn als technischen Leiter eines Festivals einprasseln.
1987/88 arbeitet er als Zivi im Jugendamt in Schwerte, spielt in einer Band – und erfindet sich selbst neu. „Da bin ich typischer Ruhri, wir machen das hier so“, grinst Rost heute noch, wenn er an all’ die schönen, skurrilen und mutigen Aktionen denkt, für die das Jugendamt damals noch Geld hatte.
Die Politiker-Talk-Couch mit der lebenden Bedrängnis Wolfgang Koruhn beispielsweise. „Die lügen doch alle“ hieß das aufklärerische Stück Jugendpädagogik damals.
Dann baute das Kulturamt den Giebelsaal am Markt in eine Berliner Kneipe um und startete zwei Kleinkunstwochen – das war, 1990, der Startschuss für Rosts neues Dasein als technischer Veranstaltungsleiter.
„Es gibt Leute, die können Geld verdienen, ich immer noch nicht, ich mache Poesie“, resümiert Jörg Rost ohne Bitterkeit zwei Jahrzehnte harte Arbeit auf der Straße. „Wer auf der Straße arbeitet, bekommt sowieso am wenigsten Geld“, viel Lebensweisheit hat Rost dabei gelernt, und tut es immer noch. Lernen und auf der Straße arbeiten.
Schwerte hat Glück, dass Rost Schwerter ist und übrigens unter allen Umständen auch bleibt: „Ich probiere hier alle meine Produktionen erst aus, bevor ich sie europaweit anbiete.“ Dann setzt er eine Harfenistin auf ein Schlauchboot-Ponton und lässt sie im Dunklen über den Gehrenbachstausee „schweben“. Oder lässt giftig-glimmernde Pilze das Rohrmeisterei-Wäldchen illuminieren.
Rost kombiniert dabei die Disziplinen Bildende Kunst, Musik und Lyrik mit Technik. Letztere muss immer im Hintergrund bleiben, darf nicht auffallen. So wie er. Ihm applaudiert niemand.
Ein Jahrzehnt Rost-Crew, seit zehn Jahren firmiert er unter Rost:Licht, zusammen also 20 Jahre kunstvolles Entertainment – was hat sich verändert? „Die Menschen wollen jetzt immer nur Superstars wählen, es gibt aber niemals Super-Budgets. Das Niveau dürfte ruhig noch einen Grad niveauloser sein, billig, sie kämen trotzdem.“
Sein Ding ist das nicht. Wenn die Bundesgartenschau ihn anruft, fühlt er sich geehrt. Dann lehnt er doch ab, „die wollten bloß ein paar Lampen haben“. Dann sollen sie sich einen halbwegs begabten Elektriker holen. Jörg Rost will, dass seine Arbeit geschätzt wird. Wenn die Menschen erst noch lernen müssen, sich mit ihrer urbanen Umwelt zu identifizieren, dann hilft er ihnen dabei, steckt ihnen ein Licht auf, zeigt, wie schön sie’s haben. Und tut eher mehr als weniger, was das Budget anbelangt. „Wie oft denke ich, mein Gott, was mach’ ich hier?“
Natürlich hat Jörg Rost noch Träume. Da gibt es noch viele Festivals, bei denen er die Technik besorgen möchte. Und noch viele Plätze, die er illuminieren möchte. „Vor allem aber will ich so alt werden, dass ich alles schaffe.“