Bergkamen. .
Schönhausen gehört sicherlich zu den Vorzeigesiedlungen in Bergkamen. Das sieht auch die RAG, die in einer Nachbarschaftszeitung und in einer Sonderausgabe ihrer Werkszeitschrift „Ruhrkohle“ anlässlich der Schließung des Bergwerks Ost regelrecht ins Schwärmen kommt. Dort in den teilweise über 100 Jahre alten Häusern inmitten von üppigem Grün könnten sich die Bewohner frei entfalten.
Diese Wertschätzung erhielt die Bergarbeitersiedlung in den 70er Jahren weder von der Stadt, den Planern der neuen Stadtmitte, die damals hochtrabend „City“ genannt wurde, noch von der Eigentümerin, der Harpener Bergbau AG. Sie sollte einem Neubaukomplex weichen, der die Zahl der Wohnungen von etwa 250 auf 1000 erhöht hätte nebst einer neuen Infrastruktur wie Läden, Kindergarten.
Gebaut wurde Schönhausen ab 1909 durch die Gelsenkirchener Bergwerksaktiengesellschaft.
Die Siedlung ist ein Beispiel für den vom „Gartenstadtgedanken“ der Wende zum 20. Jahrhundert geprägten Arbeiterwohnungsbau in Anlehnung an englische Vorbilder. Die Siedlung besaß und besitzt einen hohen Anteil an Grün- und Freiflächen mit von Alleen, Hecken und Gärten, in den die Bewohner Obst und Gemüse anbauten sowie Kleintiere hielten.
Die Gartenstadtidee als Gegenpol zu den schlechten Wohnverhältnissen in den Großstädten fand auch in Deutschland starken Anklang. Es entstanden mit fortschreitender Industrialisierung Siedlungen, die dem Arbeiter ein hohes Maß an Wohn- und Lebensqualität bieten sollten. Das sollte natürlich auch Arbeitskräfte aus anderen Teilen Deutschlands anlocken, die der Bergbau in Bergkamen dringend benötigte.
Auf diese Lebensqualität wollten die Schönhausener nicht verzichten und schon gar nicht in Betonbauten einziehen, auch wenn die Gebäude in der Verlängerung des Bergkamener Retortenstadtkerns in Richtung Süden nicht dieses Hochhausformat haben sollten. Gedacht war vielmehr an eine terrassenförmig abgestufte Bauweise.
Die Schönhausener gründeten 1974 eine Mieter-Initiative und wählten Werner Budnewski zum 1. Vorsitzenden. Er und der Vorsitzende des Betriebsrats der Zeche Grimberg 3/4, Eberhard Grahl, lieferten sich mit der Verwaltungsspitz im Bergkamener Rathaus in Presseerklärungen und in Bürgerversammlungen heftige Auseinandersetzungen.
Neben dem drohenden Verlust an Wohnqualität führten sie als weiteres wichtiges Argument ins Feld, dass die Mieter sehr viel Geld in die Instandhaltung und Modernisierung der Gebäude investiert hätten und nicht die Eigentümerin der Harpener Bergbau AG.
Mit ihrem Kampf standen die Schönhausener nicht allein im Ruhrgebiet. Rund 50 Mieterinitiativen versuchten im Revier, ihre Bergarbeitersiedlungen vor dem Abbruchbagger zu retten. Die bekannteste war sicherlich die Siedlung Eisenheim in Oberhausen, die 1972 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Zwischen diesen Initiativen gab es einen regen Erfahrungsaustausch, an denen sich die Bergkamener ziemlich schnell nach der Gründung beteiligten.
In dieser Phase bissen die „Schönhausener“ und ihr massiver Protest vor allem bei Stadtdirektor Heinrich Brüggemann auf „Granit“. 1974 wurde das Geschäftszentrum in der City und zwei Jahre später das neue Rathaus in unmittelbarer Nachbarschaft errichtet. Zunächst schienen die Pläne aufzugehen, aus ehemals sechs selbstständigen Gemeinden eine Stadt mit einem neuen Stadtkern zu bilden.
Es blieb aber das erhoffte Bevölkerungswachstum aus. Eine Ursache ist sicherlich, dass nur kurze Zeit später der Fortbestand von Grimberg 1/2 in Bergkamen und Monopol in Kamen von der RAG zur Disposition gestellt wurden. Insgeheim hatte man auch noch Mitte der 60er Jahre, als die City-Pläne geschmiedet wurden, damit geliebäugelt, dass Schering Berlin verlassen und ganz nach Bergkamen kommen würde. Die neue Ostpolitik der Bundesregierung unter Willy Brandt ließ dann aber die damals geteilte Stadt wieder zu einem sicheren Wirtschaftsstandort werden.
1979 war der Beschluss des Bergkamener Stadtrats über eine „Flächensanierung“ Schönhausens, wie der Totalabriss beschönigend genannt wurde, vom Tisch. Es dauerte aber noch vier weitere Jahre, bis sich der Weg zur umfassenden Instandsetzung der Siedlung abzeichnete.
Die Schönhausen-Mieter waren mit einer Privatisierung des Gebäudebestands einverstanden. Dagegen hatten sie sich am Anfang noch gewehrt. Die Schönhausen-Mieter konnten ihre Häuser selber sanieren, mussten sich aber an die Vorgaben einer Gestaltungssatzung halten. Aufgabe der Stadt war es dann, die Kanalisation umfassend auf Vordermann zu bringen und die verkehrsberuhigten Straßen neu zu gestalten.