Unna. .

Ein Freispruch auf Staatskosten, aber der „erhebliche Verdacht“ bleibe, dass der 35-Jährige seine Nichte sexuell missbraucht hat. Die aber wollte als Opfer am Mittwoch nicht noch einmal gegen ihren Patenonkel aussagen.

Diesen Freispruch auf Staatskosten, „der in keiner Weise gefällt“, sei „hinzunehmen und zu akzeptieren“, sagte die Vorsitzende Amtsrichterin Birgit Vielhaber-Karthaus. „Kein gerechter Abschluss“, zumal der „erhebliche Verdacht“ bleibe, dass der 35-Jährige seine Nichte sexuell missbraucht hat. Die aber wollte als Opfer gestern nicht noch einmal gegen ihren Patenonkel aussagen, obwohl ihre bisherigen Aussagen auch gutachterlich als glaubwürdig beurteilt worden sind.

Ihre Aussagen vor Polizei, Gericht und Gutachterin wollte das Mädchen gestern nicht noch einmal wiederholen. „Was passiert, wenn ich das nicht sage“, fragte sie schüchtern im Zeugenstand, gerade mal einen Meter entfernt von ihrem guten oder bösen Onkel: „Und was, wenn ich das sage?“

Nichts, gar nichts. Weder ihrem vermeintlichen Peiniger noch ihrer polnischen Großfamilie, in der der Kern des Problems zu finden ist. Onkel lädt Nichte zum Baden des Hundes ein, Nichte ist nicht ganz so helle, dann der Missbrauch im Bad… Wir berichteten. Kein Problem, wie immer sollte alles beim nächsten Wodka in familiärer Runde geregelt werden. Wie schon vor Jahren, als seine Frau den heute 35-Jährigen beschuldigte, ihrer 15-jährigen Tochter aus erster Ehe zu nahe gekommen zu sein. Er musste fortan im Keller schlafen und die Verwandten diskutierten beim Wodka.

Verwandtschaftlich wurde nun offenbar auch der aktuelle Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs im Vorfeld der Verhandlung schon außergerichtlich geregelt. „Da hat es offensichtlich Gespräche in der Familie gegeben“, so die Anklage. Nach der ersten Aussage vor Gericht im vergangenen Jahr und in Kenntnis des Gutachtens wirkte man auf das schüchterne Mädel ein. Schließlich muss nach deutschem Recht niemand gegen einen Verwandten aussagen.

Was die 13-Jährige gestern nach einigem Zögern auch tat, und was ihre Mutter und Schwester des Angeklagten spontan zu Tränen rührte. Derweil ihr Vater wütend und deeskalierend seine schwieligen Hände hinter dem Rücken ineinander rieb. Er war als Nebenkläger gegen seinen Schwager aufgetreten und musste jetzt die nüchterne Erkenntnis seines Anwaltes hören: „Der Nebenkläger ist davon überzeugt, dass es die Vorfälle gegeben hat, aber die Belastungszeugin ist weggefallen.“

Dieser Überzeugung schlossen sich Juristen wie Zuhörer an und vernahmen, dass das Verfahren aus der Staatskasse bezahlt wird: 10 000 bis 15 000 Euro.