Schwerte. .
Die Nachrichten, die aus Frankreich herüberschwappten, haben Milosh D. (Name von der Redaktion geändert) einmal mehr verunsichert. Auch wenn sich von dem Nachbarland viele andere Staaten wegen dessen Abschiebung von Roma-Flüchtlingen distanzierten, fürchtete der 34-Jährige, dass auch hier in Deutschland er und seine Landsleute das Nachsehen haben könnten. Denn die Bundesrepublik will eigentlich pro Jahr rund 2500 Menschen aus dem Kosovo wieder in ihre Heimat zurückführen, wie es offiziell heißt. Doch seit Anfang dieser Woche kann der Familienvater neue Hoffnung schöpfen. Die rot-grüne Landesregierung hat einen Erlass herausgegeben, „der Forderungen erfüllt, die wir seit Jahren erhoben haben“, sagt Michael Strauch, Mitarbeiter im Fachdienst Integration und Migration des Caritasverband für den Kreis Unna.
In dem siebenseitigen Papier aus dem Innenministerium, das sich mit der Rückführung von Minderheiten wie Roma und Ashkali befasst, heißt es: „Die vorhandenen Entscheidungsspielräume sind regelmäßig zugunsten der Ausländer zu nutzen.“ Und weiter: Wenn es sich um Kinder handele, „ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der bei Entscheidungen und Bewertungen mit besonderen Stellenwert zu berücksichtigen ist“.
Nach der Lesart von Strauch und Hans-Bernd Marks, Sprecher des Arbeitskreises Asyl, erhalten nun die Ausländerbehörden eindeutige Vorgaben, möglichst alle Chancen auszuloten, um hier lebende Roma zu halten. Eine solche Anweisung habe es bislang nicht gegeben. Eher galt nach ihren Worten das Gegenteil. Die Menschen, die zum überwiegenden Teil aus dem Kosovo stammen und die kein Bleiberecht haben, mussten große Sorge haben, über kurz oder lang wieder auf den Balkan zurückgeschickt werden. „Sie würden aber in ein Land zurückkommen, in denen viele Menschen ihnen feindlich gesinnt sind“, sagt Marks. Das belegen Berichte von unabhängigen Organisationen, die Repressalien oder auch gewalttätige Übergriffe auf zurückkehrende Roma beobachtet haben.
Hinzu kommt, ergänzt Strauch, dass eine ganze Reihe von hier lebenden Roma und Ashkali schon seit vielen Jahren in Deutschland wohnen. „Sie arbeiten hier, die Kinder gehen in dieser Stadt zur Schule, sie sprechen die deutsche Sprache“.
Nach offiziellen Angaben, so Strauch weiter, sind es 41 Flüchtlinge in Schwerte, die aus dem Kosovo stammen und kein Bleiberecht haben. Im gesamten Kreis Unna sind es 372. Nach den bisherigen Verfügungen hätte das Ausländeramt sie in nächster Zeit bei der zuständigen Zentralstelle in Bielefeld melden müssen. Wenn die Mitarbeiter dort bei ihren Recherchen zu dem Ergebnis gelangen, dass die Flüchtlinge einst ihren Wohnsitz im Kosovo hatten, „beginnt ein Automatismus“, so der Strauch. In dem Fall haben die Ausländerbehörden keine andere Wahl, als die Abschiebung anzuordnen, erläutert er.
Bislang habe Unna sich zurückgehalten und keine Namen weitergegeben. Anders verhalte es sich mit Lünen, das eine eigene Ausländerbehörde habe. Von dort sollen die Namen von 122 Flüchtlingen schon übermittelt worden sein. Ob sich nun durch den Erlass etwas an der Situation ändere und eine Rückführung verhindert werden könne, sei zur Stunde noch vollkommen offen.
Trotz aller Hoffnung, die mit der neuen Direktive aus Düsseldorf verbunden ist, sieht Strauch doch noch einen Haken. Um vor einer Abschiebung rechtlich gut geschützt zu sein, bedarf es eines Bleiberechtes. Den bekommen die Roma jedoch mit dem Erlass nicht. Was aber passiert, wenn die Minderheitsregierung scheitert? Deshalb plädieren Strauch und der Arbeitskreis Asyl dafür, die Hürden deutlich zu verringern, die ein Flüchtling überwinden muss, ehe er eine Bleiberecht erhält. Dann wären wohl die meisten Roma aus dem Schneider.