Schwerte. .
Ich war schon froh, dass es diesmal kein Essen gab. In der Rohrmeisterei war am Montag Dr. Mark Benecke zu Gast, und wenn der „Herr der Maden“ kommt, geht es halt nicht immer appetitlich zu. Den Kriminalbiologen und Spezialisten für die Insektenkunde im Dienste der Gerichtsmedizin hatte das Literaturteam AusLese eingeladen im Rahmen des Krimifestivals „Mord am Hellweg“.
Schon rein äußerlich räumte der Fachmann und vielfache Autor mit Vorurteilen auf. Wissenschaftler, so erfuhr das Publikum, können gänzlich schwarz gekleidet daherkommen, viele Ketten und Ringe tragen und mächtig tätowiert sein. Und sie können kurzärmelige T-Shirts tragen, damit das auch jeder sieht.
Es wurde dann aber auch im weiteren ein teilweise kurzweiliger Abend. Mark Benecke ist ein offenbar blitzgescheiter, äußerst schlagfertiger und reaktionsschneller Mann, der sein Publikum, mit dem er immer wieder das Gespräch sucht, fest im Griff hat. Er weiß um die Vorurteile, mit der der Normalmensch durchs Leben tappert, von Fernsehen und Krimis verdorben obendrein. „Trauen Sie nicht dem ersten Eindruck. Ziehen Sie keine Schlüsse. Gehen Sie nach dem Ausschlussverfahren vor.“ So die Zentralbotschaften des erfahrenen Kriminalbiologen.
Im weiteren Verlauf des Abends fuhr der Mann schwerere Geschütze auf. Das Publikum selbst entschied sich, hier und jetzt nichts über die Leiche in der Biotonne erfahren zu wollen, sondern etwas über die Body-Farm. Selbst schuld, sozusagen. Diese Farm, das Mekka der Gerichtsmediziner, liegt in Tennessee in den USA. Dort verwesen zahlreiche menschliche Leichname unter unterschiedlichen und kontrollierten Bedingungen zu Forschungszwecken.
Das war irgendwie schon sehr lehrreich, aber warum ich während des Vortrages minutenlang auf eine drei mal vier Meter große, gestochen scharfe Aufnahme eines sich auflösenden Leichnams schauen musste, hatte sich mir nicht ganz erschlossen. „Wenn man nicht genug sieht, muss man näher rangehen“, erläuterte zwar der Referent ein weiteres kriminalistisches Prinzip. Na gut, aber so richtig erhellend war die Sehtortur am Ende doch nicht.
Benecke sprach nicht nur sehr schnell, er hudelte an diesem Abend manchmal auch. Zu oft blieb er im bloßen Effekt stecken und am Ende saubere Schlüsse am konkreten Beispiel schuldig.
Was haben wir noch gelernt? Dass Wissenschaftler oft Zwangscharaktere sind, weil’s sonst nicht klappt mit der Genauigkeit. Und dass Wissenschaftler Marketing-Maschinen sein können, Meister der Selbststilisierung und der Buch- und Vortragsvermarktung. Naja.