Lüdenscheid. .
„Lüdenscheid muss untergehen“. In luftiger Höhe am Lichtmast-Anhänger eines Unimog-Fahrzeugs des Technischen Hilfswerks (THW) angebracht, lässt ein weißes Banner mit provozierender Aufschrift stutzen. Warum dieses „muss“, hart und unumstößlich? Warum nicht „kann“ oder „wird“? Und warum dieses schreckliche Wort vom „Untergang“, das - zumal in Verbindung mit einem THW-Fahrzeug - Katastrophen, Schmerz und Leid assoziiert?
Aktion mit
ernstem Hintergrund
Sie provoziert, verstört, verwirrt und bringt zum Nachdenken, die Arbeit „L.M.U.“ (Lüdenscheid muss untergehen) des Kölner Künstlers Christian Keinstar, der am Mittwochabend im Rosengarten zum „Blickwechsel“ und Innehalten aufforderte.
Dass seiner Meinung nach in Lüdenscheid etwas passieren muss, machte der vielfach ausgezeichnete Künstler mit seiner Aktion, die am 19., 22., 26. und 29. September (jeweils 20 bis 22 Uhr) im Rahmen des groß angelegten „Blickwechsel“-Projekts des Kultursekretariats Gütersloh wiederholt wird, unmissverständlich klar. „Ich brauche den Realismus“, erklärt er. Seine Sprachpoesie, die Umkehrschlüsse zulässt und mit dem Dualismus spielt, ist „lieber roh, faktisch und anti-utopisch“ als schwammig und illusorisch.
„Ich bin ein barocker Künstler“, sagt er. Existenzielle Themen, Liebe und Tod, das Düstere wie das Hoffnungsvolle, sind seine Welt. Aus dieser Sicht ist auch die Aktion „L.M.U.“ mit „dem wuchtigen Fahrzeug auf dem verschlafenen Platz“, so der Künstler, zu verstehen.
Helfer im Blickpunkt
Allein schon der Standort einer THW-Einheit in der Stadt mache deutlich, dass auch Lüdenscheid nicht vor Katastrophen und Gefahren gefeit sei. Im Umkehrschluss rückt „L.M.U.“ damit den unschätzbaren, viel zu selbstverständlich hingenommenen Dienst der Helfer, die im Katastrophenfall zur Stelle sind, in den Vordergrund. Philosophisch-konzeptionell verstanden, zielt der provokante Hilferuf Keinstars noch weiter, indem er Kulturkürzungen auf die Finger klopft. „Bei Kultur wird viel zu viel eingespart!“, erklärt er. „Was bleibt denn noch, wenn Galerien geschlossen werden?“ Traurige Aktualität - und vom Künstler absolut nicht gemeint - hat der „Untergang“ des Banners an neun Meter hohem Lichtmast durch die Flutkatastrophe in Pakistan erlangt.
Für das THW Grund genug, bei der Aktion auf das Elend in Pakistan aufmerksam zu machen und sich die Hilfsorganisation „World Vision“ mit ins Boot zu holen. „Vergesst die Religion und gebt ein paar Euro für die Menschen, die leiden“, fordern Klaus Cordt (Ortsbeauftragter des THW Lüdenscheid) und sein Stellvertreter Klaus Löwenich daher in einem Atemzug mit der Aktion auf. „Wasser ohne Ende, aber man kann es nicht trinken!“ Bei allen Aktionen Keinstars ist Michael Langer von „World Vision“, das zum Aktionsbündnis „Deutschland hilft Pakistan“ gehört, dabei.