Kamen. .

Millionen Menschen rund um den Globus – Kinder, Jugendliche und Erwachsene – sitzen in dieser Sekunde vor dem PC und spielen. Spielen verbindet? Von wegen! Am Dienstagabend stellten zwei Psychologen auf Einladung des Fördervereins der Erziehungsberatungsstelle Kamen/Bergkamen die Frage, ob Mediensucht ein neues behandlungsbedürftiges Krankheitsbild sei. Ist es! Jugendliche scheinen verschweißt mit ihren Handys, kasernieren sich tagelang auf LAN-Partys oder chatten ohne Unterlass mit wildfremden „Freunden“ im Netz. Im Kinderzimmer kommt es zu gewalttätigen Übergriffen, wenn Eltern die Droge PC entfernen wollen.

Und vor allem auf den „Krampf und Kampf“ zwischen Jugendlichen und Erwachsenen ging Dipl.-Psychologe Detlev Bachmann von der Fachklinik St. Camillus in Duisburg ein. Dass die kaum mehr Worte füreinander haben. Dass die Barriere zwischen ihnen oft unüberwindbar sei und die Eskalationsspirale bisweilen bis zum Kontrollverlust führe. Merkwürdigerweise, erzählte Bachmann aus seinem beruflichen Alltag, kämen die jungen Leute in der Regel wegen anderer Störungsbilder zu ihm. Die Mediensucht ergebe sich immer erst während der Behandlung. Und die Zahlen, die Bachmann auftischte, waren erschreckend: Ein Drittel aller jugendlichen Internet-Nutzer sei latent von Online-Sucht betroffen, 200 000 bis 400 000 Jugendliche tatsächlich süchtig, eher mehr. Gerade in der Pubertät laufen die jungen Menschen Gefahr, die Computeraktivität zum Mittelpunkt ihres Lebens zu machen. „Weil in der Zeit alles im Ungleichgewicht ist“, erläuterte Dr. Wilfried Huck von der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hamm. „Beim PC-Spiel“, so Psychologe Bachmann, „verschmelzen Fiktion und Realität“. Und wie bei der Drogen- oder Alkoholsucht müsste man PC-süchtigen Kindern und Jugendlichen eigentlich nach der Behandlung den Computer verbieten. Undenkbar in einer Welt, in der der PC einen derart hohen Stellenwert hat, weiß Bachmann.