Bergkamen. .

Ernst-Schering-Straße, das Gelände von Bayer Schering. Von hier kommen alle Hormone zur Empfängnisverhütung, die der Konzern als erster in Deutschland überhaupt zu Anti-Baby-Pillen pressten ließ. Und das seit genau 50 Jahren.

Die mikrobiologische Produktion an der Ernst-Schering-Straße sieht aus wie das Innere einer „Star Wars“-Raumstation: Beim Blick in einen leeren 200.000-Liter-Fermenter schaut der Besucher 15 Meter in die Tiefe. Der Rührer, ein Stab mit vielen Ästen in der Mitte des Fermenters, ist zu sehen — metallisch, unwirklich, groß. „Unsere Betriebsfeuerwehr übt da drin das Abseilen“, sagt Dr. Simone Kardinahl. Vorrangig sind die Fermenter jedoch gigantische Aquarien für Bakterien, Hefen und Pilze. Die Mikroorganismen spielen die entscheidende Rolle bei der Produktion von Hormonen. Ohne sie, erläutert Dr. Kardinahl, könnte man die Grundstoffe für die „Pille“ nicht in großem Maßstab herstellen.

Bayer-Schering in Bergkamen produziert u.a. die Hormone Drospirenon, Gestoden und Levonorgestrel. Das Endprodukt der Mikrobiologie ist jeweils ein weißes Pulver, das von der chemischen Abteilung in bis zu 14 Stufen weiterverarbeitet wird. In Berlin werden die Steroide vermahlen, in Weimar in Form gepresst: Fertig ist die Anti-Baby-Pille.

Wenn Dr. Simone Kardinahl und ihr Kollege Christian Stellmach die ersten Schritte bei der Entstehung des Verhütungsmittels erläutern, sprechen sie nicht zuletzt über Pilze - filamentöse Pilze.

Diese fädrigen Pilze — denn das bedeutet ihr Name — sind für das Unternehmen unverzichtbar und ebenso geheimnisvoll. „Man verwendet sie seit 80 Jahren, aber man weiß nicht, wie genau sie arbeiten“, sagt Dr. Kardinahl. Fest steht: Das unfertige Steroid wird der Nährlösung mit den Pilzen darin hinzugefügt. Die Pilze betreiben Stoffwechsel, verändern das Steroid. Wenn das Hormon so ist, wie die Biochemiker es haben wollen, wandert die Biomasse über gigantische Röhre in das Gebäude nebenan. Dort werden die Pilze abgetötet und das Hormon extrahiert und kristallisiert.

Vor ihrem Tod nach getaner „Arbeit“ haben die Pilze ein gutes Leben: Sie werden gewärmt und gefüttert. Besonders gern fressen sie Zucker, Soja und Maisquellwasser. In den Räumen mit den Fermentern ist es warm und es riecht nach Maschinen, Popcorn und gebrannten Mandeln. Wie viele Mikroorganismen in einem Fermenter leben, kann niemand sagen, sie können nicht gezählt werden. Ihren Ursprung haben sie in Berlin. Dort lagert der Konzern seine Stämme.

Seit dem Produktionsstart hat sich vieles verändert: Die Mikroorganismen werden individueller gefüttert. Die Steuerung der Fermenter erfolgt größtenteils per Mausklick. Und früher wurden die toten Organismen zum Teil verbrannt, heute erfolgt die Entsorgung in der Kläranlage: Dort werden sie von anderen Mikroben gefressen. So schließt sich der Kreis für die dem Menschen zahlenmäßig überlegenen, geheimnisvollen Mitarbeiter, ohne die es die „Pille“ so nicht geben könnte.

INFO

Ein Tag der offenen Tür auf dem Bayer-Schering-Gelände findet am Samstag, 18. September, statt.

Zwischen 10 und 15.30 Uhr können von interessierten Besuchern acht Betriebe besichtigt werden.

Dazu gehören Bayer-Betriebe sowie die Unternehmen Chemtura und Huntsman.

Um 18 Uhr beginnt das Nachbarschaftsfest vor den Toren des Geländes. Der Eintritt ist frei.

Auf der Open-Air-Bühne treten Chris Andrews, die Hermes House Band und „Superstar“ Mehrzad Marashi auf.

Mit dabei ist auch die bekannte Combo Burning Heart aus Kamen.