Kamen. .
Eine Welt ohne Zivis? Für Wohlfahrtsverbände und Krankenhäuser ein Szenario, das sie so vor fast unlösbare Aufgaben stellt.
Doch mit den Debatten um die Reform der Bundeswehr gerät die Zukunft des Zivildienstes ins Wanken: Wird die Wehrpflicht ganz ausgesetzt, entfällt zwangsläufig auch die Pflicht zum Zivildienst. In Kamen gibt es sieben Zivildienststellen mit 32 Plätzen, von denen zur Zeit 16 belegt sind. Alle Zivildienstleistenden sind hier im Bereich des allgemeinen Pflege- und Betreuungsdienstes eingesetzt. So hält allein das Hellmig-Krankenhaus 13 Zivildienststellen bereit. Und dort graut es den Verantwortlichen bei der Vorstellung, dass die jungen Männer demnächst völlig von der Bildfläche verschwinden: „Die Zivildienstleistenden haben das Gesicht des Krankenhauses entscheidend geprägt und schon die Verkürzung des Dienstes hat uns vor entscheidende Probleme gestellt, weil vor jedem Einsatz auch eine gewisse Einarbeitungsphase notwendig ist“, sagt Geschäftsführer Norbert Vongehr. Außerdem nähme man so jungen Männern die Möglichkeit, in einen Bereich hinein zu schnuppern, den sie sonst niemals so kennenlernen würden. „Selbst wenn sie später beruflich andere Wege einschlagen, kann der Zivildienst fürs Leben prägen“, so Vongehr.
Das kann Martin Kunka, seit sieben Monaten als Zivildienstleistender im Hellmig-Krankenhaus beschäftigt, nur bestätigen: „Der Umgang mit Schwerkranken hat mir am Anfang schon zugesetzt, doch das gehört zu den vielen Erfahrungen, die ich hier mache, positive und negative, das Leben halt.“ Zivis übernehmen den Hol- und Bringdienst der Patienten, helfen beim An- und Auskleiden, assistieren bei der Pflege. Und eigentlich immer haben sie noch ein wenig Zeit für ein nettes Wort, einen kleinen Scherz. Aus der Sicht des Zivis kann Betten schieben durchaus anstrengend sein, sind ältere Patientinnen immer bereit für einen kleinen Plausch und macht das Anlegen und Schreiben von EKGs besonders viel Spaß. Martin Kunka hat sich im Krankenhaus eingelebt und ist durchaus zufrieden: Sein Arbeitstag beginnt morgens um acht und endet nachmittags um 16 Uhr, das Essen ist frei, als Heimschläfer erhält er Übernachtungs- und Fahrgeld und ansonsten monatlich 640 Euro.
Obwohl dem 23-Jährigen die Arbeit im Krankenhaus Spaß macht, wird der gelernte Lacklaborant nach Ablauf der neun Monate wieder in seinen Beruf zurückkehren: „Das macht mir halt noch mehr Spaß, aber wenn ich nicht schon eine Ausbildung hätte, wer weiß, vielleicht wäre ich ja tatsächlich ins Gesundheitswesen eingestiegen.“
Bei der Arbeiterwohlfahrt, Unterbezirk Unna, arbeiten fünf Zivis, in Schwerte, Lünen und Unna. In Hinblick auf den möglichen Wegfall dieser Mitarbeiter setzt die AWO auf das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ). „Unsere Einrichtungen werden mit den Schulen kommunizieren, um die Jugendlichen für soziale Berufe zu begeistern“, sagt AWO-Geschäftsführer Peter Resler. Platz sei für bis zu 90 FSJler, doch im Schnitt seien nur zwischen 20 und 30 Stellen besetzt.
Caritas und DRK setzen in Kamen keine Zivis ein, weil die Zeitraum zu kurz ist. Früher beschäftigte die Stadt Zivildienstleistende bei der Feuerwehr, inzwischen aber seit einigen Jahren nicht mehr. Es habe Probleme gegeben, weil viele Zivis noch keinen Führerschein besaßen, so Pressesprecher Hanno Peppmeier. Deshalb habe man sie bei der Feuerwehr schlicht nicht einsetzen können.
Info: Zivis aus dem Spitzensport
Neben 13 „normalen“ Zivildienstplätzen bietet das Hellmig-Krankenhaus eine Stelle für Spitzensportler an.
Die Sportler haben den Vorteil fester Arbeitszeiten (z.B. 8 bis 16 Uhr) und dienstfreier Wochenenden, damit sie die Möglichkeit haben, weiterhin am Training und den Wettkämpfen teilzunehmen.
Die Athleten müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, etwa Mitglied eines Spitzenkaders sein.
Den offiziellen Antrag stellt die Hellmig-Klinik beim Bundesamt für Zivildienst.
Bisher haben sich immer Leichtathleten des Vfl Kamen um die Plätze beworben. So war etwa der Weitspringer Sebastian Nowak Zivi im Hellmig-Krankenhaus.