Ruhrgebiet..
Wenn das Fernsehen nach Talenten fahndet und Tanzprofis Prominente über das Parkett schieben, dann schnellen nicht nur die Einschaltquoten in die Höhe - auch die Tanzschulen an Rhein und Ruhr melden steigende Anmeldezahlen.
Heute Abend startet die dritte Staffel der Tanzshow „Let’s Dance“ und die Tanzschulen erwarten den gleichen Effekt wie in den ersten beiden Runden: „Durch solche Sendungen bekommt das Tanzen immer einen riesigen Schub“, weiß Julia Paulerberg (28), die eine der ältesten deutschen Tanzschulen in Duisburg in vierter Generation leitet. „Wird im Fernsehen getanzt, wollen viele auf den fahrenden Zug aufspringen.“ Wie viele genau, das könne man nicht sagen. Die Schätzungen schwanken zwischen „mehr als zehn und weniger als fünfzig Prozent“ bei Neuanmeldungen, sagt Berko Meyer, Vizepräsident des Zusammenschlusses der Tanzschulinhaber im Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband (ADTV). Das werde auch nicht zentral nachgehalten.
Dabei ist die Altersstruktur der Neuzugänge „bunt gemischt“, wie der Düsseldorfer Tanzlehrer Ben Murphy (29) beobachtet: Ein Rentner-Ehepaar, das die alten Zeiten wieder aufleben lassen möchte. Der Mittdreißiger, den die Show zum Tanzkurs motiviert, den er schon so lange vor sich hergeschoben hat. Oder: Teenager, die von der großen Bühnenkarriere träumen. „Runter vom Sofa! Rauf aufs Parkett!“ wirbt ein Essener Tanzstudio.
Casting-Kultur
Vor allem die Jüngsten treibt der TV-Tanz in eine der rund 700 Tanzschulen in NRW: „Wir nehmen das bei Jugendlichen stark wahr“, sagt Julia Paulerberg: „Die sehen die Shows im Fernsehen und wollen ihren Idolen nacheifern.“
Eine Effekt, den der Darmstädter Medienpädagoge Prof. Franz Josef Röll nicht allein dem Kalkül der TV-Macher zuschreibt: „Verführt wird nur, wer verführt werden will.“ Die „Casting-Kultur“ sei jedoch ein gesellschaftlicher Trend, der besonders Kinder und Jugendliche betreffe.
Dabei trifft die große Nachfrage auf ein breites Angebot: Während Disco Fox und Salsa vor allem bei den über 20-Jährigen hoch im Kurs stehen, richten sich die Vorlieben der Jugendlichen beim Tanzen nach den aktuell angesagten Musikstilen: „Bei Hip-Hop rennen die uns hier die Bude ein“, sagt Paulerberg. Auch Dance und House seien beliebt. Dazu kommen Break- und Videoclip-Dance bei Kindern: „Die kennen die Tänze von Sendern wie MTV oder Viva und fordern die auch bei uns ein“, sagt Berko Meyer.
Und sie schließen dabei eine Lücke in den Tanzstudios: „Früher kamen die Dreijährigen zum Kindertanzen. Ab der Grundschule blieben die Kinder dann weg und kamen erst ab 14 wieder zum Standardtanz“, blickt Julia Paulerberg zurück. Das breitere Angebot, aber auch der Wunsch, den tanzenden TV-Stars nachzueifern, sorge dafür, „dass wir diese Kids nicht mehr verlieren“, sagt Berko Meyer und erkennt einen Trend zum „lebenslangen Tanzen“.
Kleiner Knigge
Diese Entwicklung kommt auch dem gesellschaftlichen Anspruch vieler Tanzschulen entgegen: „Tanzen kann man nicht auf die Schritte reduzieren“, meint Berko Meyer – im Gegenteil: „Stil, Etikette und Manieren - in einer Tanzschule wird der kleine Knigge vermittelt.“ Darin liege auch eine Chance, dem „Verfall der Umgangsformen“ entgegenzuwirken, findet Julia Paulerberg: „Manche kann man da dezent darauf hinweisen, dass man nicht nur beim Tanzen ein Deo benutzen und keinen Mundgeruch haben sollte.“