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WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach hat der „Berliner Zeitung“ und der „Frankfurter Rundschau“ ein Interview gegeben, das aus Platzgründen gekürzt werden musste. DerWesten dokumentiert die komplette Fassung: Es geht um Staatshilfen und das neue Wochenmagazin.
Herr Hombach, Sie reden viel mit Politikern, sicherlich auch über die angespannte Lage der Medien. Spüren Sie die Bereitschaft zu helfen?
Bodo Hombach: Der Politiker, der investigative Medien schätzt und ihnen ernsthaft helfen will, ist noch nicht geboren. Wenn er hört, dass es den Medien schlecht geht, zeigt er zwar Interesse, tatsächlich aber erkannte ich zu oft Schadenfreude. Dieses Spannungsverhältnis ist auch gut so.
Wie steht’s dann um die Medienpolitik?
Hombach: Da kommt mir ein recht aktuelles Buch in den Sinn. Zusammengefasst steht da in einem der Aufsätze drin: Es gibt gute und böse Medien. Es gibt solche, die die Demokratie befördern, und solche, die ihr schaden. Und Medien, die die Demokratie befördern, sind staatlicher Unterstützung würdig, denn der Markt hat nicht nur bei den Banken versagt, sondern auch bei den Medien. Im Übrigen solle man überlegen, dpa zu verstaatlichen.
Ihrem Gesicht nach zu urteilen, sind Sie anderer Meinung.
Hombach: Auf den Tag warte ich, an dem der Staat entscheidet, welche Medien nützlich sind und welche nicht.
Fänden Sie grundsätzlich staatliche Hilfe für Medien gut?
Hombach: Wenn überhaupt, dann müsste eine Form gefunden werden, die absolut sicherstellt, dass Einflussnahmen durch den Staat ausgeschlossen sind. Sonst geht es bei uns allen bald zu wie in den öffentlich-rechtlichen Gremien. Der Staat ist für mich kein Schreckgespenst, aber Sie müssen immer wissen: Wo vom Staat die Rede ist, geht es in Wahrheit um Bürokratie und Parteien. Dann sind Sie schnell beim Parteienproporz und Parteiendurchgriff.
Was denken Sie über indirekte staatliche Hilfen, etwa die Senkung der Mehrwertsteuer?
Hombach: Ich würde mich nicht ins Schaufenster stellen und irgendeine Art von staatlicher Subvention fordern, aber wenn Sie mich schon fragen, wäre die Senkung der Mehrwertsteuer für Presseprodukte sicherlich mindestens so sinnvoll wie für Hotelübernachtungen. Im Ernst: Ich glaube fest an die Notwendigkeit der Presse als vierte Gewalt. Ich war einmal Wahlkampfverantwortlicher. Da bin ich wahrlich nicht jeden Morgen aufgewacht und habe mich gefragt, wie ich Medien objektiv informieren könnte. Im meinem früheren politischen Leben habe ich andere skandaliert. Ich wurde aber auch ungerechtfertigt skandaliert. Ich war also Täter und Opfer zugleich. Ich kenne alle Seiten und weiß genau, kein moralisches Postulat hat auf das Handeln von Politikern eine ähnlich disziplinierende Wirkung wie das Risiko, dass Fehlverhalten in Medien veröffentlicht wird. Deshalb darf es für die Medien als Säule einer funktionierenden Demokratie keinerlei Abhängigkeiten, keinerlei Störungsmechanismus durch Parteien geben. Die Begierde der Parteien, auf Inhalt, auf personelle Besetzung Einfluss zu nehmen, wäre unstillbar.
Die Verlage müssen sich also selbst helfen.
Hombach: Wir in der WAZ Mediengruppe jedenfalls helfen uns selbst. Wir wissen, unsere Kernkompetenz ist nicht mehr nur Zeitungsdruck. Wir sind eine Journalismus-Manufaktur. Und die soll so gut wie eben möglich sein. Wie guter Journalismus abgefragt wird, entscheidet der Markt. Wichtig ist also, die technologischen Sprünge genau im Auge zu behalten und sich für alle Optionen zu präparieren, Stichwort Tablet-PC. Vor allem aber muss der Verlag Qualitätsjournalismus möglich machen.
Sie reden von Qualität und haben 2009 bei Ihren vier Zeitungen in NRW 300 von 900 Redakteursstellen gestrichen. Kritiker sehen das als Widerspruch.
Hombach: Für Gratis-Medien wird mittelmäßiger Journalismus zu teuer und für Medien, die auch in Zukunft noch Geld verdienen wollen, ist mittelmäßig nicht gut genug. Journalismus, der auch in Zukunft seinen Preis wert ist, zeichnet sich – wie alle kreativen Tätigkeiten – durch Qualität und Exzellenz aus.
Sie wollen also weniger, dafür bessere Journalisten.
Hombach: Ein gewerkschaftliches Tabu, ich weiß. Aber hier stehe ich, ich kann nicht anders. Für bessere Weiterbildung und Ausbildung zu sorgen, wird Kernaufgabe der Verlage.
Wie kommt es dann, dass innerhalb eines Jahres kein Verlag so viel Auflage verloren hat wie Ihrer? Verstehen die Leser die Qualität Ihrer Blätter nicht?
Hombach: Das können Sie nicht im Ernst fragen.
Doch.
Hombach: Zunächst einmal müssen Sie jene Auflagen herausrechnen, wo wir Lokalausgaben aufgegeben haben, weil wir dort nur Zweitzeitung ohne jegliche Perspektive waren. Außerdem erscheinen wir in einer Region, in der die Bevölkerung schrumpft und der Migrantenanteil überdurchschnittlich hoch ist. Und über die soziale Bedrängnis in der Region, die sich durch Beschäftigungsraten und durch Transferleistungsempfänger ausdrückt, muss ich wohl nichts sagen. Wie auch in Berlin, birgt unser Markt besondere Probleme. Der Auflagenverlust hat mit der gestiegenen Qualität unserer Zeitungen gar nichts zu tun. Das beweisen auch alle Akzeptanzuntersuchungen.
Wäre es nicht trotzdem ehrlicher zu sagen: Wir, das WAZ-Management, haben zu lange zu wenig oder das Falsche getan. Jetzt müssen wir so viel Geld wie möglich einsparen, und zwar so, dass das, was in den Zeitungen steht, noch als Journalismus verkauft werden kann.
Hombach: Unsere alten Strukturen lebten von Mischkalkulation, bei der man die Verlustbringer nicht erkennen konnte. Das haben wir nun aufgedröselt. Wir konnten die folgenden schwierigen Operationen komplett sozialverträglich durchführen. Und das ging nur, weil wir sehr schnell gehandelt und nicht erst gewartet haben, bis uns das Wasser Oberkante Unterlippe steht. Jetzt sind wir krisenfest aufgestellt. Überall in Deutschland sind die Menschen ihren angestammten Regionalzeitungen treu. Zweit- und Drittzeitungen können sich noch so anstrengen, sie kommen selten auf einen grünen Zweig. Aber klar ist, wir wollen nicht nur sparen, wir wollen jetzt, da wir unsere Wirtschaftlichkeit zurückgewonnen haben, in die Zukunft investieren. So wie uns beim Sparen die Unternehmensberatung Schickler geholfen hat, arbeiten wir mit den international erfahrenen Beratern von Boston Consulting an dynamischen Wachstumskonzepten. Die Technologiesprünge bieten die große Chance, die Gratiskultur des Internets hinter uns zu lassen und auf neuen Wegen das große Wissen unserer Gruppe bürgernah zu vermarkten.
Können Sie das nicht selbst? Oder brauchen Sie Beratungsfirmen, um eigene Entscheidungen bei Ihren Gesellschaftern zu legitimieren?
Hombach: Sie wissen doch: Der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Aber mal ernst: Wer in dieser komplexen Situation auf guten Rat verzichtet, muss schon borniert sein. Mit Gesellschafterkonflikten kann ich Ihnen nicht mehr dienen, das ist Historie.
Wird sich die Gruppe auch organisatorisch neu aufstellen?
Hombach: Selbstverständlich durchforsten wir, wie zeitgemäß unsere Strukturen noch sind und ob wir sie anpassen müssen. Die aus der Simultanität abgeleitete alte Firmenstruktur hat sich in Teilen überlebt.
Wegen der beiden Familienstämme.
Hombach: Die formalen Abstimmungsprozesse unter den Gesellschaftern sind durchaus noch komplex. Aber mittlerweile gibt es einen erprobten und tragfähigen informellen Konsens. So etwas ist personenabhängig. Deshalb wäre es vernünftig, die konsensstiftenden Abstimmungsprozesse zu formalisieren. Alleine schon deshalb, um den nächsten Generationen ein modernes, wirtschaftlich zukunftsfestes und florierendes Haus zu bieten. Vor einiger Zeit wurde eine Regional-Bewusstseinsstudie für NRW gemacht. Der Satz der übergroßen Zustimmung mit 86 %, der als besonders typisch für die Region bezeichnet wurde, lautete: „Wir hier haben größere Probleme als andere, aber wir haben es immer geschafft.“
Eines Ihrer Zukunftskonzepte ist eine Pendlerzeitung.
Hombach: Kaum einer hat so wirksam gegen Gratiszeitungen in seinem Markt gestritten wie wir. Wer kann die wollen? Die verkaufen in der Krise nicht nur Anzeigen, sondern auch den Kommentar. Aber Welt-Kompakt ist kein schlechtes Beispiel. Natürlich prüfen wir, ob jüngere Leser andere Lesegewohnheiten haben und nur mit niedrigen Preisen zu gewinnen sind. Wir beobachten interessiert, wie sich an den Sonntagen unsere Anzeigenblätter entwickeln. Der Sonntag ist für Qualitätsmedien mit Hintergrundinformationen ein zunehmend interessanter Markt. Mit DerWesten, dem Online-Portal unserer NRW-Zeitungen, wollen wir wachsen und insbesondere unsere regionale Kompetenz umfassend ausspielen. Selbstverständlich soll der große Wissensschatz unserer vielen Magazine und Fachmagazine, aber auch unser Zeitungsangebot in Braunschweig und Thüringen, in der Online-Welt verstärkt präsent sein.
Unter der Marke „Westen“?
Hombach: Na, das wäre nicht gerade ein Renner in Thüringen. Wir diskutieren sehr interessante Dachmarken-Strategien. Schauen Sie sich nur unser Mobilangebot „Wir mobil“ an. Wir sind ein Haus, dessen Journalismus als sehr glaubwürdig, bodenständig und vertrauenserweckend angenommen wird. Wir gehören zur Familie und in die Familie.
Der Westen wird umbenannt?
Hombach: Das wäre doch schade. Auch für DerWesten würde es unter einer Dachmarken-Strategie noch Raum geben. DerWesten baut gerade zusammen mit NRW.TV die vorhandene Kompetenz im Bewegtbild sehr aus. Es wird eine immer größere Rolle spielen, wenn sich die mobilen Endgeräte weiter verbreiten.
Auch im Zeitschriftenmarkt probieren Sie Neues, zum Beispiel das Klatschmagazin Talk to go.
Hombach: Im Magazinbereich haben wir gegen den Trend gutes Geld verdient.
Erstmals mehr als mit Zeitungen.
Hombach: Auch im Magazinbereich gilt die Parole: Sparen und wachsen zugleich. Synergien heben, Qualität verbessern, näher an die Leute, aber doppelte und dreifache Arbeit vermeiden. Wir übersetzen WAZ als „Wir arbeiten zusammen“. Da liegt noch viel Potenzial.
Zum Beispiel mit dem Magazin, das Stefan Aust unter dem Arbeitstitel Die Woche entwickelt. Vier komplett produzierte Nullnummern gibt es schon.
Hombach: Die letzte habe ich von der ersten bis zur letzten Zeile gelesen. Ich fühlte mich ungewöhnlich gut informiert. Erst zwei Wochen später habe ich ähnliche Sachverhalte auch einmal in anderen Magazinen gefunden.
Worum ging es?
Hombach: Von der inneren Situation des Jemen bis zu Drohnen des amerikanischen Militärs. Wir sind sehr froh, mit Herrn Aust zusammenzuarbeiten, denn der steht wirklich für Qualität. Er präsentiert in diesen Tagen eine Online-Plattform, die Pfiff hat. Die Zusammenarbeit mit ihm hat eine strategische Komponente. Wenn der iPad Alltag wird, bedarf es einer Bündelung von Magazinen und Bewegtbildkompetenz und auch didaktisch gut gegliedertem Qualitätsjournalismus. Es weiß doch jeder, dass eine einfache Magazineinführung in diesen werbearmen Zeiten ein Abenteuer wäre. Und Abenteurertum hat man uns noch nie nachgesagt. Außerdem ist klar, dass wir ohne stabile Partner über so etwas nicht einmal nachdenken würden.
Es heißt, Sie reden mit dem Züricher Ringier-Verlag, zu dessen monatlichem Cicero ein wöchentliches Magazin passen würde.
Hombach: Das kommentiere ich nicht. Nicht einmal mit einem Wimpernzucken. Wir sind im Gespräch mit Partnern. Mit strategischen und Finanzpartnern.
Wann ist es soweit? Austs Vertrag läuft Ende Mai aus.
Hombach: Den könnten wir doch verlängern. Herr Aust arbeitet mit uns an vielen Projekten. Wir wären doch so bieder, wie es einige von uns behaupten, wenn wir nicht mit kompetenten Köpfen über die Zukunft des Journalismus und über neue Gestaltungen im Fernsehen, Online oder Print nachdenken würden. Wir brauchen Kompetenzen und Kompetente.
Stefan Aust?
Hombach: Auch, jawohl. In welcher Form auch immer.
Die WAZ könnte sich endlich vom Image des grauen, provinziellen, intransparenten Zeitungsriesen befreien.
Hombach: Wir haben im Pott mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Aber falls Sie glauben, Sie beleidigen mich gerade, irren Sie. Sie analysieren die Vorurteile gegen unsere Region und damit auch gegen uns richtig. Aber in Wirklichkeit sind wir ehrgeizig, etwas früher, frischer und einfallsreicher als viele andere. Hier waren schon eine Menge – auch ausländischer – Delegationen, die sich Inspirationen geholt haben.