Märkischer Kreis. .
Der Steltenberg ist der Grund, warum Letmathe und Hohenlimburg nie zusammenwuchsen. Genau hier oben, bei Schulte im Ostfeld, beginnt das Sauerland. Der Weg über die Anhöhe wurde von beiden Seiten seit je her als so mühsam empfunden, dass hier bis zum Bau der Autobahnabfahrt niemand siedeln wollte. Glaubt man den Einheimischen, befindet sich genau hier eine weitere Grenze: Nämlich die, bis zu der Radfahren Spaß macht.
Da ich als Jugendlicher höchstens einmal an einer Abraumhalde vorbeiradelte, bin ich durchaus geneigt, mich dieser Einschätzung anzuschließen. Schon früh nach dem Umzug ins Sauerland war für mich klar, dass meine Zukunft motorisiert sein würde. Seit 28 Jahren hängt mein Rad verstaubt unter der Decke der eigenen Garage und wird nur noch bewegt, wenn die neunjährige Tochter mit dem Vater zur Eisdiele möchte.
So betrachtet ist eine 14 Kilometer lange Fahrradtour vom Iserlohner Stadtbahnhof zur Landesgartenschau in Hemer und zurück durchaus eine Herausforderung. – Für mich und die engagierten Fahrradfreunde von der Verbraucherzentrale, die heute im Sauerland Werbung fürs Fahrradfahren machen wollen – und ausgerechnet mich zugeteilt bekommen haben.
Dummerweise hatte ich keine Zeit mich dieser sportlichen Herausforderung passend zu kleiden. Und zu allem Überfluss trage ich auch noch eine sperrige Kameraausrüstung über der Schulter. Das Thermometer zeigt knapp 35 Grad im Schatten. Der Sattel kocht, auf meiner Stirn bilden sich erste Schweißperlen.
Immerhin: Es handelt sich um ein Pedelec, ein batterieunterstütztes Elektrofahrrad. Zehn Stück davon halten die Stadtwerke Iserlohn am Bahnhof für Touristen bereit. Wer sie nutzen möchte, kann sich im benachbarten Buchladen gegen Vorlage des Ausweises den Schlüssel für eine der Garagen geben lassen und dann mit dem Rad durch die Stadt radeln – kostenlos.
Ab einer Geschwindigkeit von etwa sechs Stundenkilometern setzt bei den Pedelecs der Elektromotor ein, der den Fahrer bis zu einer Geschwindigkeit von maximal 25 Stundenkilometern unterstützt.
Die Fahrt nach Hemer erweist sich Dank des neuen Radwegs, der auf der stillgelegten Bahntrasse angelegt wurde, als unproblematisch. Mein Fahrrad scheint von einer unsichtbaren Kraft gezogen, der Fahrtwind kühlt und vertreibt die Schweißperlen von der Stirn. Zumindest bis wir zum Duloh kommen. Auf dem höchsten Punkt der Strecke spendet kein Baum Schatten und ich muss zum ersten Mal ein wenig Kraft aufwenden. Ich wechsle in den 3. Gang und gleite fast mühelos den leichten Anstieg hinauf.
Bei der Ankunft vor dem Tor der Landesgartenschau warten zwei schwarze Limousinen mit MK-LR-Kennzeichen. Sie warten hier mit leise fauchender Klimaanlage auf den Landrat und die Kreisdirektorin, die uns begleitet hatten. Wichtige Termine würden auf die beiden Kreispolitiker warten, heißt es.
Von den mitradelnden Mitgliedern des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) höre ich ein Grummeln. Für die Fahrradenthusiasten, die natürlich ohne Motorunterstützung mitgefahren sind, ist das ganze Projekt Pedelec unsinnig. Sie kritisieren die Kosten für ein halbwegs brauchbares Elektrorad, den Preis eines Ersatzakkus und geben zu bedenken, dass Elektroantriebe nicht umweltfreundlich sind.
Für mich naht die Stunde der Wahrheit wenig später am Anstieg nach Iserlohn. Der hat es in sich. Die Strecke ist so steil, dass die Eisenbahn früher eine riesige Schleife durch den Hemeraner Westen fuhr, um die Steigung bewältigen zu können. Ich wähle einen zu hohen Gang und muss trotz Motorunterstützung zurückschalten. Dies ist allerdings gar nicht so leicht, denn den kurzen Aussetzer beim Treten, den das Umschalten erfordert, wertet der Elektromotor als Arbeitsverweigerung. Prompt stellt er die Arbeit ein. Schlagartig spüre ich, dass ein Pedelec etwa zehn Kilo mehr auf die Waage bringt als ein normales Rad.
Der Vorgang wiederholt sich, bis ich irgendwann im kleinsten Gang angekommen bin. Während die geübten Fahrer den Berg hinaufstürmen, steigt mir die Hitze in den Kopf. Der restliche Weg hat nur noch wenig von der Leichtigkeit der Hinfahrt. Die Behauptung, dass man mit dem Pedelec auch im Sauerland unverschwitzt zur Arbeit fahren kann, gilt für Untrainierte nicht. Nach etwa zehn Kilometern ist mein T-Shirt reif für die Wäsche. Ich frage mich, ob die Fahrt mit meinem leichteren Rennrad so viel anstrengender gewesen wäre, verwerfe aber nur wenige Pedaltritte später den Gedanken es auszutesten.
Nach 14 Kilometern Fahrt hat mich das Pedelec nicht wirklich überzeugt. Wer regelmäßig Rad fährt, benötigt den Motor nicht – und wer nichts für seinen Körper tun will und nur selten Rad fährt, braucht kein kostspieliges High-Tech-Gerät, das alle drei bis fünf Jahre neue Akkus benötigt.