Bergkamen. .
Es ist eine Krux. Bergkamen leidet unter Ärztemangel. „Wir in Bergkamen und Bönen bilden das absolute Schlusslicht im Kreis Unna“, sagt Dr. Rainer Janz, der in der Lessingstraße eine Gemeinschaftspraxis mit weiteren Allgemeinmedizinern betreibt.
Nirgendwo gibt es - anteilig auf die Bevölkerung umgerechnet - weniger Ärzte. In Bergkamen müssten - statistisch gesehen - fünf zusätzliche Allgemeinmediziner praktizieren. Da aber zum Beispiel Werne oder Unna mit Ärzten überversorgt sind, dürfen sich im Kreis Unna keine neuen Mediziner mehr ansiedeln. So sagt es die Kassenärztliche Vereinigung.
„Es können lediglich Praxen neu besetzt werden, in denen ein Arzt in Ruhestand geht“, sagt Janz. Und diese Situation droht in Bergkamen gleich mehrfach. Denn alleine fünf der insgesamt 19 praktizierenden Allgemeinmediziner sind schon im Rentenalter, klopfen an der Zahl 70 an, oder sind schon darüber. Und: Weitere fünf Ärzte sind über 60 Jahre alt.
Auch hinter der Neubesetzung der Praxis des verstorbenen Dr. Kreter (Ebertstraße) gibt es noch ein Fragezeichen. Sie wird derzeit von einem eigentlich schon pensionierten Arzt übergangsweise bis zum Jahresende weiterbetrieben. Und dann? „Es wird nach einem Nachfolger gesucht“, sagt Janz. Doch Nachfolger sind rar gesät. „Wie Goldnuggets“, zitiert Janz einen Kollegen.
Denn nur noch 30 Prozent aller Medizinstudenten wollen in die Versorgung (Krankenhaus, Praxis). Das ergab eine Umfrage an der Uni Münster. 30 Prozent wollen ins Ausland, 40 Prozent wünschen sich geregelte Arbeitszeiten in einem Betrieb oder bei einer Krankenkasse.
Hinzu komme ein weiteres Problem, berichtete Janz am Montagabend in einer Veranstaltung in der Volkshochschule, organisiert von „Arbeit und Leben“. Von den wenigen Ärzten, die in die Versorgung gingen, seien knapp 60 Prozent weiblich. „Und Frauen, die eine Familie und Kinder haben wollen, übernehmen keine Praxis. Das ist zu arbeitsintensiv.“
Janz schilderte das am eigenen Beispiel. Durch die zunehmende Bürokratie habe sich alleine seine Arbeitszeit um mehrere Stunden täglich verlängert. Und durch den Ärztemangel nehme die Zahl der Patienten in den einzelnen Praxen zu. Etwa 2000 im Quartal seien ein Durchschnittswert in Bergkamen, auch wenn das vorgeschriebene Budget nur die Behandlung von knapp 1500 Patienten hergibt. Dr. Mustafa Madanoglu, der mit seiner Praxis an der Bambergstraße ansässig ist, bestätigte diese Werte. Zusätzliche Einnahmen zu erzielen, sei in Bergkamen kaum möglich, sagte Janz. Nur etwa 1 Prozent seiner Patienten sei privat versichert. Bei einem Kollegen von ihm in Münster sind es fast 70 Prozent.
Ob das ein Grund ist, dass sich neue Ärzte - wenn überhaupt - lieber in Unna oder Werne ansiedeln - und nicht in Bergkamen?, wollte ein Zuhörer wissen. Janz verneinte. „Geld ist nicht alles. Auch wir Ärzte in Bergkamen können zufrieden sein.“ Wenn sich ein junger Arzt trotz des hohen Verwaltungsaufwandes und der anstehenden Notdienstreform (Janz befürchtet Verschlechterungen für Patienten und Ärzte) für die Arbeit in einer Praxis entscheide, würde die Standortwahl eher durch das Freizeitangebot oder das Angebot an Kindergärten und Schulen beeinflusst. „Oder durch die Oma, die in der Nähe wohnt.“