Lünen. .
Zivilcourage erfordert Mut, Selbstbewusstsein und manchmal kann es auch ziemlich gefährlich sein, sich für jemanden einzusetzen. Am Lippe-Berufskolleg werden schon seit neun Jahren Schüler zu Streitschlichtern ausgebildet. Mittlerweile sind es über 100 Teilnehmer.
Vor Antje Steber liegt ein kopierter Zettel. Zwei Kartoffeln, als Männchen gestaltet sind darauf zu sehen. Eins hat die Arme verschränkt, die Mundwinkel zeigen nach unten, das andere stemmt die Hände in die nicht vorhandenen Kartoffelhüften und schaut ebenfalls trotzig drein. Kein Zweifel, hier herrscht dicke Luft. Obwohl es am Lippe-Berufskolleg nicht oft zu Streitigkeiten kommt, haben Antje Steber und Volker Maak, beide Lehrer, schon vor neun Jahren damit begonnen, Schüler für couragiertes Eingreifen zu gewinnen und sie als Streitschlichter auszubilden.
„Die Idee dazu enstand nicht aus einer Notwendigkeit heraus“, erklärt Steber. „Wir wollten nicht hinterherhinken und lieber im Vorfeld etwas tun in Sachen Gewaltprävention.“ So kam es, dass es im ersten Jahr 16 Streitschlichter gab, aber keinen einzigen Streit.
Manchmal ist Zivilcourage auch lebensgefährlich
Zivilcourage, dazwischen gehen, wenn zwei sich streiten. Sich vor jemanden stellen, der des Schutzes bedarf. Das erfordert Mut, Selbstbewusstsein und kann auch lebensgefährlich sein, wenn man an Dominik Brunner denkt, der an einer Münchner S-Bahn-Station zu Tode geprügelt wurde, weil er zuvor zwei Kinder vor einer Attacke von Jugendlichen beschützt hatte.
Solche Szenen hat Friederike Westrup zum Glück noch nicht miterlebt. Die 17-Jährige macht am Berufskolleg ihr Abitur und besucht in diesem Schuljahr die AG für Streitschlichtung. „Ich habe schon die Erfahrung gemacht, dass es schwierig ist, zwischen zwei Parteien zu vermitteln“, erklärt die Schülerin ihre Motivation. „Aber in der AG macht es richtig Spaß.“ Per Rollenspiel lernen die Schüler, sich in die Parteien hineinzuversetzen und nach Lösungen zu suchen. Für den Weg zur Lösung, von zwei Streithähnen zu zwei Menschen, die mit einem Lächeln auseinander gehen können, haben die Streitschlichter einen Plan mit fünf Phasen. „Die wichtigste, aber auch die schwierigste Phase für die Schlichter,ist das Erfassen der Gefühle. Oft stecken hinter einer Banalität alte Konflikte, die aus dem Weg geschaffen werden müssen“, erklärt Steber.
Überrascht ist die Lehrerin aber in jedem Schuljahr, dass so viele Schüler Interesse an ihrer AG zeigen: „Immerhin machen die Schüler das freiwillig in ihrer Freizeit. Das ist schon beeindruckend.“