Dorsten. Selten war ein Dorstener Wirtschaftsempfang so gut besucht wie am Donnerstagabend im Wulfener Wohnzentrum.
Zweifelsohne zog der Name des Gastredners: Wolfgang Clement, einst NRW-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister in Berlin, hatte die städtische Wirtschaftsförderung Windor gewonnen. Eine treffliche Wahl, vermittelt von Wolfgang Quecke, aus seiner Zeit bei der Deutschen Steinkohle mit Dorsten vertraut.
Er habe „Spaß, über die Fragen, die uns bewegen, zu diskutieren” erklärte Clement zum Auftakt eines gut einstündigen Auftritts, den er zu einem mit flotten Sprüchen (s. unten) gewürzten Ritt durch die Themen der aktuellen Politik nutzte.
Die Wirtschaft war und bleibt sein Thema des „elder Statesman”, der sich vom Bürgermeister scherzhaft als „Exzellenz” ansprechen ließ. „Wir werden die Krise überstehen. Im Vergleich zu den meisten EU-Ländern sind wir gut durchgekommen”, stellte Clement vor rund 220 Dorstenern aus Wirtschaft und Politik fest.
Die Kurzarbeit als „modellhaftes” Instrument zur Vermeidung von Massenentlassungen machte er als Grund aus. Vorsorge sei zu treffen, um eine Wiederholung der Krise zu verhindern: Mit einer europäischen Bankenaufsicht, wirksamer Überwachung der Ratingagenturen. Innovationen müssten Wachstum möglich machen, lautet sein Credo: „Nur so gibt es Arbeitsplätze.”
Den demografischen Wandel bezeichnet er als „größte Herausforderung”. Die Vorstellung, das Sozialsystem könne weiter bestehen wie bisher, sei „aberwitzig”. Geboten sei deshalb eine Öffnung des Rentenalters: „67 oder 69 ist nur ein Versicherungsdatum. Jeder Dritte zwischen 65 und 80 würde gern weiter arbeiten”, empfahl der bald 70-Jährige das eigene Beispiel. Die Rente mit 67, da ist er sicher, „wird nicht ausreichen.” Hohe Standards in der Gesundheitsversorgung ließen sich nur mit mehr Eigenverantwortung und Eigenbeteiligung sichern.
Damit Deutschland im internationalen Vergleich konkurrenzfähig bleibt, müssten Schule und Bildung „in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit rücken.” Es müsse für junge Menschen „jede Chance geben, mit Indern und Chinesen zu konkurrieren.” Reformen mahnte Clement auch bei Förderalismus und Verwaltung an. Warum er all das in seiner Amtszeit nicht umgesetzt habe, musste sich der Gast fragen lassen. „Ich vertrete diese Positionen schon sehr lange”, so Clement, „bin aber in der Umsetzung unendlich oft gescheitert.”