Mit den Kulturhauptstadt-Plänen für die "Kunststraße" am historischen Gahlener Kohlenweg ist Dorstens kleinerer Kunstverein "Virtuell-Visuell" jetzt eingebunden im Großprojekt aller 15 Kunstvereine.

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© Hans Blossey

VIRTUELL-VISUELL JÜNGSTER IM RUHRGEBIETS-VERBUND DER KUNSTVEREINE Dorsten. In Sachen "Kulturhauptstadt" kam Dorstens kleinerer Kunstverein "Virtuell-Visuell" im Sommer an zweiter Stelle - wenige Wochen, nachdem das Jüdische Museum sein Projekt "Angekommen" auf den Antragsweg gebracht hatte. Auch der "Gahlener Kohlenweg" ist geplant als anspruchsvolle Kooperation, die weit über Stadtgrenzen hinausgreift. Mit Angelika Krumat, seit einem Jahr Vorsitzende des "Vi-Vi e. V." sprach Ralph Wilms über Ideen und Chancen für 2010.

Wie steht es um Ihr Projekt?

Angelika Krumat: Der liegt jetzt in zwei Anträgen vor. Die 15 Kunstvereine des Ruhrgebiets haben sich, gerade rechtzeitig zum Bewerbungsschluss bei Ruhr 2010, schnell auf ein gemeinsames großes Projekt geeinigt: "Grenzgebiet Ruhr." Unsere fünf Vereine am Gahlener Kohlenweg müssten da 'reinpassen.

Wie kam's zu dieser neuen Entwicklung?

Angelika Krumat: Wir hatten ein Gespräch mit Prof. Karl-Heinz Petzinka . . .

. . . der als einer von vier künstlerischen Direktoren der Ruhr 2010 GmbH zuständig ist für die bildende Kunst.

Angelika Krumat: Prof. Petzinka betonte: Wir fördern nur Gemeinschaftsprojekte.

Wichtig ist ihm, dass wir Geschichten erzählen und dass sich Bilder auftun. Die Ruhr 2010 GmbH will ein Thema durchgearbeitet präsentieren - so wie die großen Theater des Ruhrgebiets, die zu 7 an der "Odyssee" arbeiten.

Worum geht's beim "Grenzgebiet Ruhr"?

Angelika Krumat: Um die künstlerische Transformation der historisch-geografischen Bedingungen. Das galt ganz besonders für den alten Gahlener Kohlenweg - mit einer Zollschranke alle fünf Kilometer. Wir wollen auch die heutigen sozialen und kulturellen Grenzlinien betrachten.

Wo verlief denn eigentlich der Gahlener Kohlenweg im frühen 19. Jahrhundert?

Angelika Krumat: Hundertprozentig ist er nicht mehr zu rekonstruieren. Von Gelsenkirchen ging's in Richtung Dorsten mit Sicherheit mitten durch das heutige Scholvener Veba-Werk und in Altendorf über die Bochumer Straße.

Wir wollen die Heimatvereine bitten, mit uns zu recherchieren. Vielleicht wäre der Kohlenweg auch Thema für eine Geschichts-Station.

Was wollen die fünf Kunstvereine am Weg als nächstes unternehmen?

Angelika Krumat: Wir wollen schon vor 2010 den Weg von Hattingen bis Gahlen markieren. In Gelsenkirchen hängt bereits ein erstes Plakat mit dem Motiv der alten Streckenkarte. Außerdem schauen wir schon nach weiteren Fördermitteln - falls es mit Ruhr 2010 nicht klappt.

Ist "Virtuell-Visuell" eigentlich der kleinste unter den 15 Kunstvereinen im Ruhrgebiet?

Angelika Krumat: Das habe ich immer gedacht, aber es stimmt nicht. Wir sind jetzt 42 Mitglieder - der Dortmunder Kunstverein hat auch nicht mehr. Und die "Galerie Januar" in Bochum, auch ein eingetragener Verein, hat nur 30.

Allerdings mit dem Vorteil eines fest verfügbaren Ausstellungsraumes . . . Wie geht es denn weiter mit der Woolworth-Beletage?

Angelika Krumat: Wir haben eine Zusage bis Mitte nächsten Jahres und gucken gerade: Was zeigen wir als Nächstes?

Hatten Sie einen Favoriten unter den Ausstellungen der letzten zweieinhalb Jahre?

Angelika Krumat: Nein, keinen Favoriten. Die Ausstellungen waren zu unterschiedlich. Am erfolgreichsten waren wir mit Matthias Kunklers "Augenblicke der Freiheit". Damit haben wir sogar etwas Geld verdient. Alban Sänger (der Nachlassverwalter Matthias Kunklers) war großzügig mit den Provisionen.

Wo war die Publikums-Resonanz am größten?

Angelika Krumat: Von der Besucherzahl war die Gruppenausstellung "Pars pro toto" äußerst erfolgreich. Unser Publikum ist immer sehr interessiert. Wir zählen ja bei jeder Eröffnung - und es kommen immer 80 bis 100 Gäste. Bei Matthias Kunkler waren es 200. Und alle loben die schöne Atmosphäre.

Wie sehen Sie Dorsten als Kulturstadt?

Angelika Krumat: Es gibt noch viele Möglichkeiten. Dorsten hat ein gutes, sehr interessiertes Publikum. Wir haben Sterne-Restaurants, sind eine Tanz-Hochburg. Das alles zählt. Ich liebe diesen Ikea-Spruch: "Nutze die Möglichkeiten." Hier sind noch viele ungenutzte Synergien. Wir sollten viel mehr mit unserem Potenzial wuchern.

Aber "Virtuell-Visuell" kann immer nur bis zur nächsten Ausstellung planen, weil die Woolworth-Etage doch noch Kaufhaus werden könnte?

Angelika Krumat: Man muss ja ein Fundament erst zimmern. Wenn ich auf die zweieinhalb Jahre zurück blicke . . . Wir hatten uns ja eigens für Birgit Brenner auf die Socken gemacht, um diesen Raum zu finden. Es durfte nicht sein, dass sie den Tisa-Preis erhält - und niemand in Dorsten konnte ihre Arbeiten sehen.

Die Kunst am "Kohlenweg" aber zeigen Sie draußen?

Angelika Krumat: Nicht nur, wenn wir den Raum 2010 noch hätten . . . Wir müssen flexibel reagieren. Schwerpunkt beim Kohleweg ist aber, aktuelle Kunst draußen zu zeigen. Das wäre auch mit dem Jahr 2010 nicht beendet. Ideen gibt es genug.

Zum Beispiel?

Angelika Krumat: Am Kohlenweg, also der Bochumer Straße, in Altendorf-Ulfkotte könnte ein Garten im Umriss des Ruhrgebiets entstehen mit 53 alten Apfelsorten - je eine für jede Stadt. Die ganz alten Sorten haben ja so nette Namen wie "Ochsenmaul" und "Eselshintern". Die ließen sich unter den Städten verlosen.

Oder ganz nah am alten Gahlener Kohlehafen ist ja heute das Brückenlager der A 31. Da könnten wir einen Workshop anbieten mit einem hochrangigen Grafitti-Künstler. Am Kanal gehen ja viele Menschen her.

Wie klappt denn die Zusammenarbeit der Kunstvereine?

Angelika Krumat: Wir geraten bereits etwas unter Zeitdruck. Die Stimmung und Zusammenarbeit ist gut, sehr gut sogar. Schwieriger ist die Terminfindung.

Wollen die fünf Vereine das Projekt auf jeden Fall stemmen - unabhängig davon, ob Ruhr 2010 Mittel zusagt?

Angelika Krumat: Wir wollen die Kraft haben, den Weg auf jeden Fall zu gehen. Aber wir könnten das nicht ohne Förderung. Unsere 42 Mitglieder zahlen 30 E im Jahr - das sind unsere sicheren Einnahmen.

Geht's den anderen beteiligten Kunstvereinen besser?

Angelika Krumat: Die anderen vier Vereine haben feste Räumlichkeiten. Das heißt, sie können langfristiger planen, können sich rechtzeitig um Förderungen bewerben.

Für uns ist selbst das Porto für die Einladungen immer gleich ein großer Batzen.

Aber Sie sind optimistisch?

Angelika Krumat: Ich merke, dass das Projekt Kohlenweg schon auf Begeisterung stößt. Und im Verein hat sich im letzten Jahr viel mehr Leben entwickelt. Dazu haben auch unsere eigenen Atelier-Tage beigetragen Das stärkt die Freude miteinander.