Integrative Kindertagesstätte "Pusteblume" betreut behinderte und nichtbehinderte Kinder. Jedes Kind wird im engen Kontakt zu den Eltern individuell gefördert.

Dorsten. "Wir verstehen Integration als wechselseitigen Prozess. Nicht nur die behinderten Kinder müssen in die Gruppe integriert werden, sondern jedes Kind, mit all seinen Schwächen und Fehlern." So beschreibt Gisela Petzel, die Leiterin der Integrativen Kindertagesstätte "Pusteblume", das grundlegende Konzept ihrer Einrichtung. Vier Gruppen gibt es hier und in jeder Gruppe bis zu fünf Kinder mit Behinderung, dazu fünf Regeltagesstättenkinder und sechs bis sieben Regelkinder. Eine Gruppenstärke von 16 bis 17 Kindern, betreut von je einer Heilpädagogin, einer Erzieherin, einer Praktikantin oder einem Zivildienstleistenden - eine Konstellation, von der viele Kindergärten nur träumen können. Dazu ein Raumkonzept, das kaum einen Wunsch offen lässt.

Auf Initiative der Lebenshilfe wurde die KiTa "Pusteblume" nach langer Planung 1988 Realität, damals noch in Trägerschaft der Stadt Dorsten. 1994 übernahm die Lebenshilfe die Einrichtung und baute die vierte Gruppe an. Von der Geburt bis ins Erwachsenenalter hinein kann die Lebenshilfe Menschen mit geistiger Behinderung und ihren Familien heute versorgen.

Steckbrief

Name: Integrative

Tagesstätte "Pusteblume"

Gründungsjahr: 1988 (Stadt)

Ortsteil: Hardt

Träger: Lebenshilfe (seit 1994)

Leiterin: Gisela Petzel

Mitarbeiter: pro Gruppe

1 Heilpädagogin, Erzieherin und Berufspraktikantin, BJS-Praktikantin oder Zivi, Leiterin (Heilpädagogin) freigestellt, für die behinderten Kinder stundenweise Ergotherapeutin, Motopädin, Heilpädagogin, Logopädin, Krankengymnastin

Gruppen: 4

Kinder: 18-20 Behinderte,

45 Nichtbehinderte

Besondere Angebote:

Alle Gruppen arbeiten integrativ mit je 5 Kindern mit Behinderungen, 5 Regeltagesstättenkindern und 6 oder 7 Regelkindern

Öffnungszeiten:

Regelbereich 7.30-12.30 Uhr, 14-16 Uhr, Tagessättte 7.30-16.30 Uhr, Heilpäd. Tagesstätte 8.30-15 Uhr

Telefon: 4 47 33

Die Zusammenarbeit mit den Familien wird in der "Pusteblume" groß geschrieben: "Wir machen hier familienergänzende Arbeit", stellt die Heilpädagogin Gisela Petzel klar. Regelmäßig werden entwicklungsbegleitende Gespräche mit den Eltern geführt, in denen es um Fortschritte, Entwicklungsziele oder auch Probleme geht. Jedes Kind wird individuell gefördert, die Eltern erhalten Tipps und Hinweise.

Begleitende Therapien bekommen die behinderten Kinder in der KiTa durch eine Ergotherapeutin, eine Motopädin, Heilpädagogin, Logopädin und eine Krankengymnastin, die beiden Letzteren kommen aus einer freien Praxis. Dafür stehen zusätzlich drei Therapieräume, ein Snoozelraum und eine Turnhalle zur Verfügung. Das große Platzangebot macht es möglich, dass die Kinder ihren Bewegungsdrang jederzeit ausleben können. Wichtig für die Arbeit: "Über die Bewegung entwickelt sich alles. Erst durch eine gute Grobmotorik kann auch eine gute Feinmotorik entstehen", erklärt die Pädagogin.

Für die Kinder ist der Umgang miteinander selbstverständlich. Da spielen und streiten Behinderte und Nichtbehinderte genauso wie alle anderen. Gerne erinnert sich die Leiterin an eine Szene von neulich. Da versuchte ein kleiner Junge einem autistischen Kind etwas zu erklären und verlangte von der Erzieherin: "Sag mir mal, in welcher Sprache ich mit ihm reden muss." Da ist dann die Hilfestellung der Erwachsenen gefragt. Hilfe brauchen manchmal auch die Eltern, wenn sich nämlich behinderte und nicht behinderte Kinder anfreunden und für nachmittags verabreden. "Da gibt es zunächst mal Ängste", bestätigen auch Micaela Wulf und Dieter Schewe, die beide im Elternrat aktiv sind.

Im Snoozelraum machen es sich Luca und Laura, Lena und Anne gemütlich.
Im Snoozelraum machen es sich Luca und Laura, Lena und Anne gemütlich. © WAZ

Gerade für die Eltern der heilpädagogischen Kinder aber seien Kontakte untereinander sehr wichtig, weil man oft nur auf dem Weg des Erfahrungsaustauschs von neuen Therapien oder Zuschuss-Möglichkeiten erfahre, berichtet die Mutter.

Doch die KiTa-Eltern sind auch als Küchenchefs im Kinder-Café gefragt: Reihum ist einmal im Monat eine Gruppe dran, allen Kindern im KiTa-Flur ein leckeres Frühstück zu servieren. Mal gibt es eine Nutellabrötchen-Schlacht, mal gesundes Müsli, mal Gurkenbrote. Jedes Kind zahlt 50 Cent fürs Frühstück, die Einnahmen landen in der jeweiligen Gruppenkasse. Zusätzliche Mittel bringen die Eltern auch mit ihren regelmäßigen Basaren auf. Wichtige Einnahmequellen für kleine Extras, angesichts leerer öffentlicher Kassen.

Politik muss den Rahmen schaffen

Interview mit KiTa-Leiterin Gisela Petzel. "Pusteblumen"-Chefin sieht Novellierung des Kindergartengesetzes mit Sorge entgegen, weil Finanzierung nicht stimmt.

Ist die KiTa "Pusteblume" auch vom demografischen Wandel betroffen?

Petzel: Ja, wir bemerken die sinkenden Kinderzahlen auch. Früher hatten wir endlose Wartelisten, heute können wir alle Kinder hier aus dem Umfeld gut versorgen. Auch die behinderten Kinder können in der Regel alle aufgenommen werden.

Sorgen um Gruppenschließungen müssen Sie sich aber noch keine machen?

Petzel: Nein. Allerdings soll der Heilpädagogische Bereich auf Wunsch der Kostenträger nicht ausgeweitet werden, sondern so bleiben oder eher zurückgebaut werden. Behinderte Kinder können billiger in der Einzelintegration in Regelkindergärten betreut werden. Dort wird dann das Personal für diese bis zu drei Kinder vorübergehend aufgestockt, zusätzliche Therapieangebote so wie bei uns gibt es dort aber nicht. Schwerstmehrfachbehinderte Kinder, ab August werden wir in jeder Gruppe ein solches Kind haben, können dort sicher nicht betreut werden.

Wie stellt sich die "Pusteblume" in der Zukunft neu auf?

Petzel: Ab August sind wir Familienzentrum und werden unsere Schwerpunkte setzen in der integrativen Elternarbeit, in der Familienbildung, regelmäßigen Beratung in Erziehungsfragen, der Betreuung von unter Dreijährigen im Rahmen der Tagespflege, in der Gesundheitsvorsorge und der Sprachförderung. Dazu wollen wir mit anderen Tageseinrichtungen im Stadtteil kooperieren und streben auch eine Zusammenarbeit mit den beiden Familienbildungsstätten an.

Welche Wünsche haben Sie an die Politik?

Petzel: Wichtig ist uns deutlich zu machen, dass - damit alle Aufgaben, die unsere Einrichtung leisten soll, auch bewältigt werden können - die Grundlagen und Rahmenbedingungen dazu von der Politik geschaffen werden müssen. Hier schauen wir mit Sorge auf die Novellierung des Kindergartengesetzes. Im Referentenentwurf sind wichtige Aufgaben genannt, der Finanzierungsrahmen ist aber nicht ausreichend, um diese Aufgaben in die Praxis umzusetzen. Das gleiche gilt für die Entwicklung zum Familienzentrum. Auch hier wird von der Politik ein qualifiziertes Angebot erwartet, der Finanzierungsrahmen dazu ist allerdings nicht ausreichend.