Düsseldorf. . Der NRW-Innenminister sagte vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags erstmals zu den Silvesterübergriffen in Köln aus. Dabei verstrickte er sich an zwei Stellen in Widersprüche.

Ralf Jäger steuert mit einem Rollkoffer in den Zeugenstand. Der NRW-Innenminister ist mit allerhand Akten präpariert worden für den vielleicht wichtigsten Auftritt seiner politischen Karriere. Jäger muss als Zeuge im Untersuchungsausschuss des Landtags zu den sexuellen Übergriffen von Hunderten Migranten auf Frauen in der Kölner Silvesternacht aussagen.

Der SPD-Politiker aus Duisburg wirkt entschlossen, sich von kritischen Nachfragen der Opposition zu dem weltweit beachteten Behördenversagen nicht noch weiter in Bedrängnis bringen zu lassen. An diesem Montag im Untersuchungsausschuss steht Jägers Abwehrreihe zunächst sicher. Der Innenminister trägt die Verteidigungslinie der rot-grünen Landesregierung so vor, wie man sie seit Anfang Januar häufiger gehört hat. Kein Wackeln, keine hörbare Verunsicherung.

Erstens: Die Silvesterübergriffe waren „im Vorfeld nicht vorhersehbar“, so Jäger. Zweitens: Die Kölner Polizei habe die Einsatzlage falsch eingeschätzt. Drittens: „Bis zum 3. Januar konnte keiner ahnen, was dort geschehen ist“, versichert Jäger. Ab 4. Januar hätten Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und er angemessen reagiert. Viertens: „Der Vorwurf der Vertuschung ist aus der Luft gegriffen.“

Verharmlosung auf Geheiß von „oben“?

Im Laufe der Zeugenbefragung wird Jäger gereizter. „Belegen Sie Ihren Vorhalt“, blafft er einmal die CDU-Sprecherin Ina Scharrenbach an, die ihn in stoischer Ruhe mit Aktenvermerken konfrontiert. Im Wortsinn ins Schwitzen gerät der Innenminister im stickigen Sitzungssaal vor allem bei zwei politisch brisanten Widersprüchen.

So will Jäger den Vorwurf zurückweisen, seine Landesleitstelle habe am Neujahrstag auf der Kölner Kriminalwache angerufen, um den Begriff „Vergewaltigung“ aus einer ersten polizeiinternen Meldung über wichtige Ereignisse (WE-Meldung) streichen zu lassen. Verharmlosung auf Geheiß „von oben“? Am 6. April hat Jägers Pressesprecher glasklar dementiert, dass es einen solchen Anruf überhaupt gegeben hat. Allerdings: Zwei Kriminalkommissare bestätigten später als Zeugen genau diesen Einmischungsversuch der Landesleitstelle. Jäger gerät ins Schlingern: „Dieses Telefonat kann jedenfalls nicht dienstlich veranlasst worden sein.“ Wie kann das Innenministerium ein Telefonat bestreiten, das es womöglich doch gegeben hat, bohrt FDP-Innenpolitiker Marc Lürbke nach. Jäger rudert: „Das war keine Berichterstattung ans Parlament, sondern eine Pressemitteilung.“ Darf man da zweifelhafte Behauptungen reinschreiben? Gelächter im Saal.

Kölner Ereignis-Meldung soll „nicht herausgeragt“ haben

Widersprüchlich wirkt auch Jägers Umgang mit der ersten WE-Meldung der Polizei zu den Kölner Übergriffen, die ihn am Neujahrstag zu Hause auf dem Handy erreichte. Darin war bereits von einer Vergewaltigung, elf überfallenen Frauen und einer 40- bis 50-köpfigen nordafrikanischen Tätergruppe die Rede. Größere Beachtung schenkte Jäger der Mitteilung nicht. Solche WE-Meldungen dienten „nur der schnellen Information“. Er bekomme Hunderte im Jahr davon, die Kölner habe „nicht herausgeragt“. Wenn es eine besondere Lage gegeben hätte, wäre er telefonisch oder persönlich informiert worden.

Zugleich betont Jäger, die Mischung aus Sexualdelikt und Diebstahl sei „ein absolut neues Phänomen“ in Deutschland gewesen. „Hat am Neujahrstag Ihr Bauchgefühl versagt?“, fragt der Ausschuss-Vorsitzende Peter Biesenbach (CDU). Jäger guckt irritiert: „Als Innenminister sollte man nicht mit seinem Bauchgefühl arbeiten.“

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