Dorsten. Zur Eröffnung der „Sixties”-Ausstellung mit 80 Fotos von Linda McCartney freute sich das Team des Jüdischen Museums über ein volles Haus und feine Songs aus der Woodstock-Ära, "unplugged" gespielt vom Duo "Two of us".

Einen angemessenen Look in Batik und fellgesäumter Wildlederweste lehnte der Museumsleiter leider ab. „Die hippiesken Sachen passen uns leider nicht mehr”, so antwortete Dr. Norbert Reichling im randvollen Vortragssaal des Jüdischen Museums auf die übrigens selbstgestellte Frage, warum sich das Team zur gleichnamigen Ausstellung nicht „Sixties”-mäßig kostümiert hatte.

Die größere Überraschung fürs Publikum boten ohnehin die Intermezzi des Duos „Two of us” mit Dieter Hackfurth und Hans van Triel. „When I'm 64”, sang der Vorsitzende des Kulturkreises Marienthal – und lag damit nur ein bisschen daneben. Dr. Reichling, der textlich für die Einstimmung in die „Sixties” mit 80 Fotos von Linda McCartney sorgte, war zu „Woodstock”-Zeiten 17 Jahre alt und sprach vor einer Zuhörerschaft, die ebenfalls in „diese bestimmte Generation” passte.

"Auch diese Musik hat die Welt nicht gerettet"





Dem Gitarren-Duo entlockten die „Sixties”-Fans noch das elegische Seitensprung-Lied „Norwegian Wood” als Zugabe. Musik dieser Ära, zumal so kompetent live vorgetragen, war der Coup dieses Ausstellungs-Rundgangs – obwohl Norbert Reichling zuvor Wasser in den Wein gegossen hatte: „Auch diese Musik hat die Welt nicht gerettet”. Sie war für GIs in Vietnam sogar die Geräuschkulisse, während sie ihre Bomben abwarfen.

Krasse Konflikte solchen Kalibers zeigt keines der Fotos von Linda McCartney. Die New Yorkerin pflegte eher eine nahezu britische Ironie. Beispielhaft zu bewundern am Gruppenbild der „Yardbirds”, aufgenommen in einer Londoner Geschäftsstraße: Giftigen Blickes geht eine alte Dame im hellen Kittelkleid an den Langmähnigen vorbei – hinter ihr ein amüsierter Jimmy Page.

McCartney-Fotos enthüllen viel




Das speziell britische Flair ihrer neuen Heimat würdigte Linda McCartney auch anlässlich des ersten Londoner Gigs von Crosby, Stills & Nash: Die größten Egos der Gegenkultur erscheinen bei ihr ganz klein am Bildrand – unter gewaltigen Baumkronen eines Parks.

„Ambivalenz” statt „Unschuld” zeichnet aus Sicht des Museumsleiters die Fotos aus – und dazu „sanfte Präzision”. Dr. Reichling zitierte Jim Morrison: „Ich weiß nicht, ob ich mich von Dir fotografieren lassen will”, denn McCartneys Fotos enthüllten doch zu viel von den Fotografierten. Vom düster-bemühten Schamanentum des „Doors”-Sänger könnte dann wenig übrig bleiben. Tatsächlich wirken nur die Morrison-Porträts dieser Ausstellung in einem enttäuschenden Sinne gestellt.

Auch „Traffic”-Sänger Steve Winwood posiert vor McCartneys Kamera oder Nico als Chanteuse der „Velvet Underground”. Doch bei ihnen hielt die Fotografin den Moment fest, als sich die Pose löste. „Sie ermöglicht einen unbefangenen, ruhigen, fast zärtlichen Blick auf die Pop-Größen”, resümiert Dr. Reichling, „als sie noch nicht übergroß waren”.

Bilder haben Beatles-Bruch dokumentiert

Und die Aufnahmen von Paul McCartney – mit oder ohne die anderen Beatles – gehören ohnehin ins Album der Familienfotos. Ein Bilderpaar erzählt fast diskret vom Bruch der „Fab Four”: Im linken Rahmen hängt Paul am Telefon, das Gesicht halb verborgen hinter dem klobigen Bakelit-Hörer. Rechts blickt John über seine linke Schulter, das Kinn in einer ganz ähnlichen Geste auf die Hand gestützt.

Das „Porträt einer Ära” – der Ausstellungstitel ist keine Übertreibung – bleibt bis zum 29. November im Jüdischen Museum.