Seit 15 Jahren arbeitet Dirk Reuter als Tätowierer. Er versteht sich selber als Kunsthandwerker.

Dorsten. Der junge Mann liegt auf dem Bauch. Sein Oberkörper ist entblößt, sein Gesicht zeigt einen leicht gequälten Ausdruck. Und dann sticht die Nadel mit einem surrenden Geräusch in seinen Rücken - immer und immer wieder, über hundert Mal pro Sekunde. Ein neues Tattoo entsteht. „Ein schlechter Tätowierer ist einer, der behauptet, das tut nicht weh”, sagt der Mann auf der Liege, „aber da muss man durch”, meint er grinsend. Sein Rücken sei für ihn eine Art Tagebuch, erzählt er. Die ersten Tattoos kamen zum Schulabschluss: es waren die japanischen Schriftzeichen für Leben und Tod. Zum bestandenen Diplom hat sich nun eine Kampfszene aus der japanischen Mythologie hinzugesellt. Seine zukünftigen Arbeitgeber sollen davon jedoch nichts wissen, deshalb möchte er anonym bleiben. Denn viele Leute haben immer noch Vorurteile gegen Tattoos. „Bis zur Jahrhundertwende hatten die Leute eine neutrale Einstellung zu Tätowierungen. Dann erschien das Buch eines italienischen Psychologen, der darin ,typische Verbrechermerkmale' beschrieb und auch Tätowierungen dazu zählte”, erklärt Dirk Reuter, der das Kunstwerk auf dem Rücken des Mannes geschaffen hat. „Mittlerweile gibt es Tattoos in allen Altersgruppen und sozialen Schichten. Das entspricht überhaupt nicht dem Klischee, dass so etwas nur für zwielichte Gestalten sei.”

Seit 15 Jahren im Geschäft

Dirk Reuter tätowiert seit 15 Jahren. 1995 eröffnete er seinen ersten Tattoo-Shop in Wulfen, drei Jahre später zog er in die Kirchhellener Allee um. Der gelernte Schlosser hat einen guten Ruf in der Branche und ist gern gesehener Gast auf Conventions in aller Welt, wo sich Tätowierer und Tattoo-Liebhaber treffen. Auch einige Auszeichnungen hat er gewonnen, doch darüber spricht er nicht so gerne: „Das ist nicht wichtig, ich möchte einfach nur einen vernünftigen Job machen.”

Und der beginnt schon bei der Auswahl der Kunden. „Ich tätowiere keinen unter 18 Jahren.” Auch links- und rechtsextreme Tattoo-Wünsche lehnt er ab. Ist geklärt, welches Motiv und welche Stilrichtung der Kunde wünscht, geht es an die eigentliche Arbeit. „Erst wird der Entwurf gemacht und dann wird die Skizze auf die Haut aufgebracht - direkt oder in Form eines Abdrucks. Dabei ist das Desinfizieren oberstes Gebot.

Tattoos - ein Leben lang

Als erstes tätowiert Dirk Reuter die Konturlinien, dann füllt er den Rest mit Farbe aus: „Die Nadel läuft dabei in einem Farbbett und wird durch die Bewegung unter die Haut gebracht. Unter Verwendung der richtigen Produkte und bei fachmännischer Arbeit bleiben keine Vernarbungen und das Gewebe wird nicht geschädigt. Natürlich ist es ein Fremdkörper, der in die Haut eingebracht wird, aber schädlich in dem Sinne sind Tattoos nicht”, versichert er. Richtig gemacht, halten sie ein Leben lang, auch wenn sie etwas verblassen können, man sollte sich diesen Schritt also genau überlegen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Lasertechniken zur Entfernung von Tattoos große Fortschritte gemacht haben. Dirk Reuter sieht sich selber als Kunsthandwerker. Da „Tätowierer” keine geschützte Berufsbezeichnung mit festen Ausbildungsnormen ist, gibt es auch keine Qualitätssicherheit. „Um ein gutes Studio zu finden, sollte man vorher Recherche betreiben. Ganz wichtig ist es, sich Fotomappen von früheren Arbeiten anzusehen”, rät Reuter.

Natürlich ist auch Dirk Reuter selber tätowiert. Fragen nach der Bedeutung einzelner Motive sind für ihn nichtig, er sieht das Gesamtkunstwerk: „All diese Tätowierungen zusammen - das bin ich.”