Schwerte. Der Plan der Stadt Schwerte, Flüchtlinge in einer früheren SS-Baracke des ehemaligen Konzentrationslagers in Schwerte-Ost unterzubringen, wird jetzt offenbar noch einmal überdacht. Am Dienstag besichtigten die Ratsmitglieder den Ort des geplanten Flüchtlingsheims noch einmal. Am Freitag will sich Bürgermeister Heinrich Böckelühr dazu äußern.
Bei der Besichtigung am Dienstag wollte sich keines der Ratsmitglieder äußern. Die Deutsche Presse-Agentur hatte extra einen Korrespondenten geschickt, auch zahlreiche überregionale Medien wie Spiegel Online oder der Stern hatten nach der Berichterstattung unserer Redaktion über die Pläne berichtet.
Flüchtlingsrat überrascht
Demnach sollen die Flüchtlinge in einer übriggebliebenen Baracke der SS-Wachmannschaft untergebracht werden, unweit der Gedenkstätte. Zwar wurde die Baracke nach dem Krieg schon einmal als Flüchtlingsheim und auch schon als Kindergarten und zuletzt als Künstlerhaus genutzt. Der Flüchtlingsrat von Nordrhein-Westfalen ist trotzdem gegen diese Lösung.
"Wenn ein Flüchtling darauf gestoßen wird, beispielsweise durch den Gedenkstein, an welcher Stelle er untergebracht ist, kann das durchaus eine traumatisierende oder verstärkende Wirkung haben", sagte die Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates, Birgit Naujoks am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Im Gespräch mit unserer Redaktion hatte sie bereits am Samstag gesagt, dass sie in diesem Fall eine Übergangs-Lösung in Containern für die bessere gehalten hatte. Das KZ-Außenlager in Schwerte-Ost
Im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs hatten die Nationalsozialisten Hunderte Zwangsarbeiter aus Buchenwald in der Schwerter Außenstelle untergebracht. Sie mussten im Reichsbahnausbesserungswerk Lokomotiven reparieren. 1985 wurden die baulichen Überreste des Lagers unter Denkmalschutz gestellt. Auf Initiative des Schwerter Kulturamtes wurde vier Jahre später eine Gedenkstätte errichtet. Neben einem Gedenkstein hat der Bildhauer und Steinmetz Horst Wegener ein Stück Schienen verlegt. Die Schwellen stellen Zwangsarbeiter mit verzerrten Gesichtern dar. Dies hatte die Stadt Schwerte in Person von Sprecher Carsten Morgenthal aber zurückgewiesen. Container seien keine Alternative gewesen, auch weil es derzeit kaum verfügbare Container auf dem Markt gebe.
Historiker überrascht
Der Historiker Prof. Alfons Kenkmann, mit dem auch unsere Redaktion bereits gesprochen hatte, sagte am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur: "Je reflektierter die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit geworden ist, desto schwieriger ist es heute, in dem Kontext eine leichte Entscheidung zu fällen. Man ist hochsensibel auf diesem Gebiet geworden. Mich überrascht dann, dass Schwerte das so durchziehen möchte."
So berichten andere Medien über die Schwerter Pläne:
- Spiegel Online zitiert in seinem Bericht "Flüchtlinge sollen in ehemalige KZ-Außenstelle einziehen" Christina Glauning, Leiterin des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit in Berlin: "Auch wenn diese SS-Wachbaracke in der Vergangenheit schon öfter für andere Zwecke genutzt wurde, sollte sich daraus kein Automatismus ableiten, dies auch in Zukunft zu tun.Es handelt sich hier nicht um einen normalen, beliebigen Ort, sondern um einen Ort von Ausbeutung, Unterdrückung und entgrenzter Gewalt." Es sei schwer vorstellbar, dass Flüchtlinge, die genau aus solchen Gründen gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen und alles zurückzulassen, an so einem Ort untergebracht werden.
- Der Stern nennt die Schwerter Idee online "abstrus", zitiert ansonsten aber vor allem aus der Berichterstattung unserer Redaktion vom Samstag.
- Der Focus bezieht sich in einer Online-Fassung vor allem auf SpiegelOnline und stellt lediglich in der Stichzeile die Frage: "Zuviel des Pragmatismus?"
- Auch das Satire-Magazin "Titanic" beschäftigte sich am Dienstag in einer Kurzmeldung mit den Schwerter Plänen. Dabei kommt die Stadt alles andere als gut weg.
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